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Dogmatiker, die doch moralische und religiöse Gesinnung haben, sind genötigt zu sagen: Gott habe die Welt erschaf-//211//en. Ersteres muss der transzendentale Idealist erklären. Er muss daher zeigen, wie die reinen Begriffe sich in einer Ansicht in materielle Substanzen verwandeln. Dies ist hier gezeigt bis zur Versinnlichung unserer selbst.

Nota.
Aufgabe der dogmatischen Philosophie wäre: darzustellen, wie die materiellen Substanzen sich selber in Begriffe verwandeln; was ihr nicht gelingt, weil die Materie nicht als selber tätig gedacht werden kann (ohne aufzuhören, Materie zu sein). Die endliche Intelligenz ist Agilität schlechthin, es war zu zeigen, wie daraus Begriffe entstehen können; nur daraus.

Dies war das erste in der Synthesis, dass der bloße reine Begriff versinnlicht wurde, das zweite ist: dass die Einbildungskraft hindurch erblickt wurde durchs reine Denken, und dadurch bestimmt wird. Nun entsteht die Wechselwirkung: Das erste Bestimmbare wird selbst zu einem ganzen Systeme, wird zu einem Leibe; aber in Beziehuung auf das Bestimmte, ohne unser Zutun Vorhandene [wird es] die ganze Welt.

Auf das Bestimmen und das Bestimmte gründet sich die ganze Einteilung des Ich. Das erste Bestimmbare, das in der Substanz liegt, wird, insofern es durch das reine Denken aufgefasst wird, als ein Ganzes [aufgefasst], denn das Denken ist stets ein Ganzes, und erhält, bezogen auf die Duplizität des Bestimmens und Bestimmtseins als Ganzes, doppelte Ansicht: Es ist in Beziehung auf das Bestimmende mein Leib, in Beziehung auf das Bestimmtsein die ganze Welt.

Also ich=x, ich Seele, ich Leib ist ganz einerlei, es sind bloß doppelte Ansichten; weiter: Ich Leib und Sinnenwelt außer mir ist wieder einerlei und eine besondere Ansicht. Alles in der Wissenschschaftslehre beruht auf Duplizität der Ansicht. Zwischem dem Höchsten, ich=x, und dem Niedrigsten der formlosen Substanz liegen verschiedene Glieder, die in der doppelten Beziehung auf Obiges bald subjektiv, bald objektiv sind; aber ich bin für immer selbst der Gegenstand; ich selbst bin mir unbegreiflich, Subjektobjekt, welches doch ursprünglich als eins gedacht werden soll.
 
Nota.
Ich erblicke dieses durch jenes hindurch - das sind keine Begriffe. Dieses und Jenes und Erblicken sind Bilder, man muss sie sich lebhaft vorstellen, sie sind kein begriffenes Guthaben, das man zu Buche schlagen und... jemand anderm zur Prüfung vorlegen kann. Den andern kann man immer nur einladen, es selber zu versuchen; zwingend aus gemeinsamen Prämissen argumentieren kann man hier nicht, es kann sich jeder sträuben, wie er will. Der Form nach ist es mehr Kunst als Wissenschaft. Aber nur der Form nach; der Sache nach ist es jedem zuzumuten, einer besonderen Begabung oder Berufung bedarf es nicht, nur der Absicht.

Dieses Ich des //212// empirischen Bewusstseins kann gesetzt werden lediglich in der Zeit, dann ists Seele, oder versinnlicht im Raume ists Leib, und derselbe ist wieder nichts anderes als die Welt, alles ist eins und dasselbe, nur in verschiedenen Ansichten. Das reine Denken wird hindurch gesehen durch die Einbildungskraft in der Synthesis A und die Einbildungskraft umgekehrt [hindurch gesehen durch das reine Denken]

Dadurch entstehr Duplizität, und der Begriff der Substantialität wird vollendet, sie wird erst ein geschlossenes Quantum, und ein Akzidens wird auf die Substanz bezogen, durch sie hinduch erblickt. Es wird ein Akzidens darauf bezogen in Hinblick auf das Bestimmende - der unter allen möglichen Akten ausgewählte einzige Akt; in Beziehung aufs Bestimmte die unter allen übrigen ausgewählte Materie. 

Die Substanz bin, wenn das Bestimmende erblickt wird, ich, wie ich mir auf dem Gesichspunkte des gemeinen Bewusstseins erscheine, da bin ich Leib; das Bestimmte in ersterer Rücksicht ist mein Akt, das Bewegen meiner Hand z. B.; dasselbe Akzidens ist, auf die Welt bezogen, das in der Sinnenwelt durchs Bestimmende Bewirkte, z. B. der gechriebene Buchstabe.

Anmerkung. Substantialität wird nicht ohne Kausalität gedacht und Kausalität nicht ohne Substanz. Das Akzidens ist nie etwas anderes als bestimmte Äußerung der inneren Kraft, und die Substanz wäre das wirkende Vermögen, das immer angesehen wird als wirken könnend auf verschiedene Weise. Und umgekehrt, Wirksamkeit lässt sich nicht denken ohne Beziehung auf eine Kraft, und diese ist gleich dem Zentrum des Innern der Substanz selbst.

Die Synthesis beider Kategorien ist die Kategorie der Wechselwirkung, die sich auf die Notwendigkeit gründet, das äußere [Vermögen] vom reinen Vermögen abzuleitren und umgekehrt. Sie ist Kategorien der Kategorien, Substantialität und Kausalität sind koordiniert, aber beide der Wechselwirkung subordiniert.

Alles, was wir denken, sind Verhältnisse. Das sagt gewissermaßen auch Kant, doch ohne weitere Anwendung; die dritte Kategorie sei immer die Vereinigung der beiden ersten der Substantialität und Kau-//213//salität. Dies ist richtig und vortrefflich. Kant wollte allerdings einen reinen Idealismus aufstellen. Aber von dem bloß philosophischen Gesichtspunkte aus, da man über der Substanz schwebt, findet man Wechselwirksamkeit und Substantialität mit Kausalität selbst koordiniert.  

Nota. 
Hegel hat in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes Amerika neu entdeckt: Die Substanz müsse 'auch als Subjekt gefasst' werden; doch das hat schon Spinoza nicht anders gehalten.* Dabei lehrt schon der gesunde Menschenverstand: Nur als Subjekt kann eine Substanz überhaupt gedacht werden. Die Wissenschaftslehre fügt nun aber hinzu: Das Subjekt ist gar nicht, sondern muss sich als solches immer erst setzen.
*) Ein reiner Objektivismus – Eleaten? – würde sagen: Die Subjekte mögen tun, was sie wollen; die Substanz liegt ihnen doch immer zu Grunde.
Nota II. 
Es ist nicht überflüssig zu erinnern, dass nicht von reellen physikalischen Phänomenen die Rede ist, sondern von den Vorstellungen, die wir ihnen unterlegen.
 
§ 17 [Zusammenfassung]

Das Ich ist, wie bekannt, das durch sich selbst Tätige und durch diese Tätigkeit auf sich Wollende. Das Ich findet sich heißt offenbar, es findet sich tätig auf sich selbst. Dass das Ich sich wollend findet in dieser Tätigkeit auf sich selbst kommt daher, weil sein ursprünglich nicht weiter abzuleitendes, sondern für alle Erklärung voraus zu setzendes Wesen ein Wollen ist, jedes Objekt der freien Reflexion auf sich selbst sonach sein Wollen werden muss. -

Anmerkung. A. Wollen ist zuvörderst ein selbsttätiges Bestimmen, alles Bestimmen ist durch die Einbildungskraft vermittelt, es ist ein tätiges Bestimmen zu einem Zweckbegriffe. Sonach ist der ganze Begriff des Wollens sinnlich, alles Wollen ist Erscheinung, das reine Wollen wird bloß als Erklärungsgrund vorausgesetzt, es ist in unserer Vorstellung und Sprache nicht zu fassen; = absolute Selbstheit, Autonomie, Freiheit, alles ist gleich unbegreiflich. Die Freiheit lässt sich nur negativ beschreiben, durch: nicht bestimmt zu werden - abermals sinnlich.

Kurz, es ist das, was möglich macht, dass ich mich als selbsttätig, als Ich denken kann. Dieses ist das Materiale in allem Bewusstsein. Um das Formale zu erklären, muss man die Reflexion voraussetzen. Dies ist =X, das Absolute, das nur Grund ist, es liegt in demselben absolutes Subjektives und absolutes Objektives.

Jede Reflexion ist ein sich-Bestimmen, und dieses schaut das Reflektierende unmittelbar an; aber es schaut dasselbe an durch die Einbildungskraft hindurch, sonach als ein bloßes Vermögen der Selbstbestimmung, und durch dieses abstrakte Denken (als Vermögen) entsteht das Ich für sich selbst //214// als etwas, als ein rein Geistiges, lediglich Ideales, und wird seiner Tätigkeit des bloßen Denkens und Wollens als einer solchen sich bewusst. 

Nun ist aber diese Reflexion ein sich-Bestimmen, aber der oben beschriebene Akt der Einbildungskraft ist ein Akt des Ich und wird sonach bestimmt. Demnach wird in demselben ungeteilten Akte das reine Denken durch die Einbildungkraft versinnlicht und das durch die Einbildungskraft Versinnlichte durch das reine Denken bestimmt (Wechselwirkung des Anschauens und Denkens). Durch diese Bestimmung entsteht ein geschlossenes Vermögen des Ich als sinnliche Kraft und eine Bestimmtheit desselben (Begriff der Substantialität). Zu der Bestimmtheit dieser sinnlichen Kraft wird ein Objekt hinzugdacht und durch sie im Denken bestimmt (Begriff der Kausalität).

Populäre Wiederholung 

Das sich Bestimmende, sich selbst zu etwas Bestimmten Machende ist das Ich. 'Das Ich findet sich' heißt daher: Es findet dieses sich-selbst-Bestimmen, denn es ist nicht, wie der Dogmatiker sagt, so, dass die Begriffe in mir als etwas fertiges Erstes lägen. Und 'Dies ist der erste Begriff' heißt selbst: Er wird erzeugt aus einem Mannigfaltigen, welches dargelegt ist. Dass dies sich-Machen-zu-einem-Bestimmten gefunden werde, dazu gehört Vergleichung meines Seins (des Bestimmten) und meines Tuns (des Machens zu diesem Bestimmten).

Aber wie weiß ich, dass ich es tue? Dies dadurch, dass ich unmittelbsr von meinem Tun weiß, und dass ich ich selbst das sei, weiß ich [dadurch], dass ich unmittelbar von diesem Sein weiß. Darauf bedarfs keiner weiteren Antwort; also bloß darauf, wie ich wisse, dass aus jenem meinem Tun dieses Sein folge; und die Lösung dieser Aufgabe wäre die Deduktion des Selbstbewusstseins und mit ihm alles anderen Bewusstseins. -

Tun und Sein sind ganz dasselbe, nur von verschiedenen Seiten angesehen. Diese doppelte Ansicht muss sein, wenn ein Ich sein soll, aus ihr geht erst das Ich hervor. Sieht das Ich sein reines Denken durch die Einbildungskraft hindurch, so entsteht ihm ein //215// Tun. Denkt es das wieder, was durch die Einbildungskraft dargestellt ist, so wird es zum Sein. Das reine Denken und Wollen macht also notwendig das Ich aus. Wie ein Ich gesetzt ist, ist es gesetzt; wie ein Ich gesetzt ist, ist ein Bewusstsein gesetzt wie das beschriebene. 
 
- Das Ich ist kein einfacher Begriff, da es überhaupt keinen einfachen Begriff gibt; es ist zusammengesetzt auf die beschriebene Weise.

§ 18
 
Wir haben nun diese ursprüngliche Synthesis zum festen Standpunkte, in dem wir entweder die Synthesis selbst zum Gegenstande der Untersuchuung machen können, oder in der Synthesis selbst die Aussicht nehmen [und] das mannigfaltige Denken einzeln untersuchen. Letzteres erfordert das systematische Bedürfnis. 

Jetzt wollen wir uns in den Standpunkt der Synthesis selbst versetzen und ein in derselben gedachtes diskretes Denken untersuchen; wir werden dadurch wieder in die Hauptsynthesis zurückkommen. 

Unsere Absicht ist die: Wir haben vom Anfange der Synthesis ein Sein und Denken als notwendig vereinigt aufgezeigt. Dies ist näher bestimmt als entgegengesetzte Art des Denkens, als Ideales und Reales; der ganze Unterschied liegt bloß in der verschiedenen Bestimmung der Intelligenz dabei. Beides ist eben dasselbe pp, beides haben wir erblickt als notwendig vereinigt in der Kategorie der Wechselwirkung, beide sind erschöpfende Teile der Synthesis; wir können also sicher sein, mit ihnen alles, was im Bewusstsein vorhanden ist, zu haben.
 
Nota.
Wir nähern uns wieder dem Ausgangspunkt: Die Darstellung kommt langsam zu ihrem Schluss.
 
Wir werden sodann jedes als besonderes Denken betrachten. Aber vor der Hand: Alles Denken geschieht nach den Regeln des Denkens, hat seinen Umfang und ist wieder ein synthetischer Periodus

Unsere nächste Aufgabe wäre also dies (denn in der Wissenschaftslehre herrscht //216// immer ein organisches [=genetisches] Denken, vide supra). Nun steht es uns allerdings frei, für das Bedürfnis der Spekulation das Mannigfaltige der klaren Einsicht wegen zu trennen, aber wir müssen uns immer erinnern, dass alles ein Bestandteil der Synthesis sei; unser jetziges Geschäft wird ein Verbreiten dieser Synthesis gleichsam e centro sein.

Wir kamen in dem vorigen Paragraphen nur bis zur Annahme eines Produkts unserer Kausalität in der Sinnenwelt, nur dass aber die eigentlich gegebene Welt, die ohne unser Zutun bestehende Sinnenwelt noch nicht deduziert ist. Dies ist noch zu leisten. Wir haben erst ein Dreifaches aufgewiesen: von einer Seite: den idealen, den Zweckbegriff; von der realen Reihe: die Kausalität; in der Mitte das des bloß selbsttätigen Ich. Es muss fünffach [sein] oder sich an beiden Seiten ein Glied anschließen.

Bestimmtere Charakteristik des idealen und realen Denkens (bestimmter darum, dass hier die Resultate gezogen werden, oben aber erst die Prämissen durcheinander liefen) (Diese muss vorangeschickt werden, weil das ideale und reale Denken hier weiter durcheinander bestimmt werden soll). Ideales Denken ist es, wenn das Bestimmen oder Denken durch die Einbildungkraft hindurch erblickt und dadurch zur bloßen Bewegung, zum bloßen Tun wird, ohne dass ein Produkt desselben erscheine.

(Unsere Tätigkeit erscheint immer als ein Fließen, welches oben erklärt ist; nun erscheint auch ein Produkt, davon abstrahieren wir jetzt, es ist ein Tun überhaupt wie oben im reinen Zweckbegriff). Darin ist es ein bloßes ideales Denken. -

Ein reales Denken ist das, wenn das nun versinnlichte Bestimmen, das daliegende, abermals bestimmt wird durch das reine Denken. Im ersten erscheint das Denken als ganz frei, im zweiten erblickt es sich als gebunden, daher entsteht das Gefühl und insbesondere das Gefühl des Denkzwanges
1

Wenn ich einen Zweckbegriff entwerfe, bin ich frei und selbstbestimmend: Soll ich ferner das tun oder das? Hier wird //217// meine Kraft an alle diese möglichen Fälle gehalten, die mir einfallen. Aber woher weiß man, dass man eine selbstbestimmende Kraft hat! Dies liegt in uns, in dem eignen freien Denken; wir kommen uns hier schon vor als bloßes Noumen. 

Jetzt sagen wir: Das will ich, nun ist jenes Schweben aufgehoben, unser Denken ist auf einen einzigen Punkt geworfen; dieser kommt wieder aus einem freien Denken her pp. Ich als Noumen erscheine mir doppelt: 1) überhaupt als so vorausgersetzt, dass ich diese Bestimmung halte an das Mannigfaltige der Wahl. 2) als ein empirisches Bewusstsein, gemacht, hervorgebracht, bestimmt.
 
Nota.
Es ist das erste Mal, dass F. den 'Zweckbegriff' genauer bestimmt: Er ist nicht die unentfaltete Vor- oder Frühform des Sachbegriffs, sondern er ist ein Akt, der Akt der Wahl aus allen Handlungsmöglichkeiten, "die mir einfallen". (Reell: Ich stelle mir wirklich vor, all diese Möglichkeiten seien bereits 'da' gewesen, bevor ich 'auf sie gekommen' bin. Insoweit ist der Zweckbegriff allerdings der Vorläufer der Sachbegriffe: Sie kommen uns alle wie vorgefunden vor; das ist der Ursprung des dogmatischen Denkens und des dialektischen Scheins.)

(Es gibt hier einen Widerstreit des Ausdrucks und der notwendigen Ansicht, und von der anderen Seite der Sache, die wir denken wollen; nämlich bei aller Bemühung können wir die Untersuchung über die Hauptsynthesis niemals erschöpfen; wir können sonach nimmermehr das Bestimmte und Bestimmende als eins anschauen, weil beides in der Synthesis auseinander liegt. Dieses Bestimmen und Bestimmtsein ist in der Hauptsynthesis eins, diese können wir aber nicht fassen.

Die Philosophie hebt notwendig an mit einem Unbegreiflichen, mit der ursprünglichen Synthesis der Einbildungskraft, ebenso mit einem Unanschaubaren, mit der ursprünglichen Synthesis des Denkens. Dieser Akt ist nicht zu denken noch anzuschauen. Es [sic] lässt sich auch also noch bloß die Aufgabe aufstellen, alles Übrige ist erreichbar, da es in der Erfahrung vollzogen wird.)

Kurz, ich denke reell, wenn ich mich gezwungen fühle. Dies kommt daher, weil ich mich bestimmte. Denke ich dieses Bestimmte, so denke ich idealiter, mit letzterem ist kein Gefühl verbunden wie mit dem ersten. - 
 
Nota.
Fassen, nämlich entweder denken oder anschauen, lässt sich die Synthesis nicht, denn sie ist ja nur als das Übergehen vom einen zum andern; würde es gefasst, könnte es nicht länger übergehen.
Die Hauptsynthesis ist in allgemeinster Formulierung: Ich bestimme Mich. Würde das je gelingen, wäre mit allem Bestimmen Schluss. Bestimmen meiner - und von irgendetwas anderem - als... ist nur möglich, solange ich mich von mir unterscheide. Wenn ich mich zu Ende bestimmt habe und mit mir eins geworden bin, bin ich tot.
  
Dieses Denken haben wir schon genetisch zusammengesetzt; hier finden wir beides als ein Ganze[s], und wir wollen nun beide auf einander beziehen. Wie wird also eins durch das andere bestimmt? Wir wollen bei der Beziehung des realen Denkens auf das ideale anfangen, also

2.
 
in der ursprünglichen Synthesis ist mein Zustand von einer Seite betrachtet ein reelles Denken; nun ists unmöglich, dass //218// derselbe Zustand auch ein Unbestimmtes sei, demnach muss das ideale Denken, da es in demselben Zustande vorkommt, selber mit bestimmt werden. -

Das heißt nicht, das Ideale verliert seinen Charakter als Ideales, beides muss beisammen bestehen, weil sonst kein Ich bestehen könnte. Die Freiheit als solche, das Bestimmen, das bloße Vermögen wird selbst gesetzt als ein bloßes Vermögen, das Ich wird als Seele zur Substanz mit dem und dem bestimmten Vermögen, weder mit mehr oder weniger (von Gemütsvermögen ist nicht die Rede).

Substanz ist ein bloßes Vermögen, das selbst in Schranken eingeschlossen wird, aber Vermögen ist es nur, inwiefern es durch die Einbildungskraft hindurch gesehen wird. Ein begrenztes Vermögen ist es, inwiefern jenes Konstruieren der Einbildungskraft durchs reine Denken bestimmt wird.

Wir hatten also hier quasi drei Akte. 1) Ich denke mich als absolute reine Kraft; dies ist Resultat des absolut reinen Denkens. 2) Diese reine Kraft sehe ich durch die Einbildungkraft hindurch, durch ein unendliches Mannigfaltiges der Handlungsmöglichkeiten. Dadurch entsteht mir nun eine zu einem unendlichen Mannigfaltigen Vermögen habende Kraft. 3) Diese Kraft denke ich nun abermals, dies ist nicht das reine Denken sub Nr. 1, ebensowenig der Akt der Einbildungkraft sub Nr. 2, sondern auf beides in seiner Vereinigung gehendes empirisches Denken.

Die Beschränkung des Geistigen kommt von diesem Denken. Das ideale oder reine Denken allein ist produzierend, wodurch Noumene hervorgebracht werden. Alles reelle Denken ist nur begrenzend und teilend das Gemachte; dies ist das leichteste, worauf weiter gebaut wird.
 
Nota.
Das reine oder ideale Denken produziert Noumena, da greift das reale Denken teilend und begrenzend hinein, daraus entsteht - nein, nicht eine Welt, sondern das reale Bewusstsein von mir und der Welt.  

3.

Dadurch wird nun das Ich als Geist etwas Bestimmtes, denn von physischer Kraft ist noch nicht die Rede.

Aber es gibt kein bestimmtes Denken und keines eines Bestimmten ohne Denken eines Bestimmbaren. Das bestimmte Denken ist überall nichts anderes als Übergehen aus Bestimmbarkeit //219// zur Bestimmtheit, vide collegium Logica et Metaphysica. Das empirische Denken ist immer ein Herausgehen aus einem Bestimmbaren, folglich: Zu diesem Bestimmten meiner selbst als Geist tritt mir notwendig ein Bestimmbares hinzu, und so verbreitet sich unser System.

Im Vorbeigehen: Eine vollendete Synthesis hat fünf Glieder, wir haben aber nur drei. A, und von einer Seite β reines Denken und B reales Denken; es muss nun noch von beiden Seiten zwei Enden geben, die finden sich hier. Jetzt bin ich im Gebiete des β; da wird notwendig ausgegangen von einem Bestimmbaren, da wird nun das äußere Glied angeschlossen. Aber dies Bestimmbare werden wir nicht kennen, wenn wir nicht die aufgestellte Bestimmtheit als Begrenzung eines Vermögens noch näher kennen lernen. -

Wir kommern jetzt auf einen wichtigen und leichtverständlichen Punkt, der aber schwer darzustellen ist. Wir wollen erst die Bestimmtheit unserer selbst als Geist näher untersuchen, das zu Bestimmende ist Freiheit, reine Tätigkeit als solche; durch ihre Bestimmung entsteht uns folgender Begriff: Das Freie bin ich selbst, die Bestimmtheit ist Begrenzung meiner selbst; sie ist also außer mir und erscheint als außer mir, ohne mein Zutun, denn es ist eben Beschränktheit meiner Freiheit. Demnach wäre die Bestimmtheit etwas an sich, ein Gegebenes. -

Ferner sollte sie sein eine Beschränktheit der Freiheit als solcher, und indem sie das ist, muss sie Freiheit bleiben. Die Freiheit wird begrenzt heißt nimmermehr, sie kann [nur] so weit gehen, sonst wäre sie nicht begrenzt als Freiheit, und es gäbe [nur] ein begrenztes Quantum Freiheit. Es ist aber ausdrücklich gesagt, es soll Begrenztheit der Freiheit als solcher sein, sie soll auch noch über die Begrenzung hinausgehen. Es soll nicht sein wie eine mechanische Begrenzung der Kraft, so dass [vielmehr] die Freiheit weiter gehen könnte, aber aus einem in ihr liegenden Grund nicht weiter gehe.

Setzen wir den Begriff zusammen, so haben wir ihn selbst. Eine Beschränktheit, die aus der Freiheit herauskommt, ist Selbstbeschränkung, und diese müsste sie sein. Sie soll aber doch etwas an sich sein, id est ein notwendiges Denken. Also ein notwendiges Denken einer Selbstbeschränkung wäre die aufgestellte Grenze, die durchs Bestimmen des Ideals zu Stande käme, aber dies ist ein Sollen; Bestimmtheit des Seins hingegen ist ein Müssen.

Man //220// denke an den Charakter des Gegebenseins. Das Sollen erscheint uns nicht als durch uns hervorgebracht dem Grunde nach, es ist etwas, das einmal so ist, durch Denkzwang Vorhandenes; doch ists Bestimmtheit der Freiheit, eine Bestimmung, die man nicht findet wie bei dem sinnlichen reellen Denken, [sondern eine,] die man hervorbringen soll; aber dass man sie hervorbringen soll, das findet man.

Es ist demnach eine notwendig zu denkende Aufgabe: Darinnen eben besteht das Wesen der Ideen, dass man nur die Regel konstruiert, nach der sie zu Stande kommen sollen; z. B. bei dem unendlichen Raume. So ist es gleichsam etwas Gegebenes, eine sich aufdrängende Aufgabe; zweitens ist es Aufgabe nur, in wiefern man sich dieselbe mit Freiheit auflegt.*

Resultat: Ich finde mich als ein solches, das weder beschränkt ist noch unbeschränkt, sondern nur frei [ist], id est durch sich selber ins Unendliche bestimmbar, durch welches eben alles Sein ausgeschlossen wird; nur bleibt die Aufgabe, sich in seinem Fortgange selbst zu beschränken. -- 
 
Nota.
Die Wissenschaftslehre ist keine Entstehungsgeschichte des Bewusstseins, sondern ein Modell der Vernunft. Sie zeigt, dass und insbesondere an welchen Stellen durchgehend Freiheit der Bestimmungsgrund des vernünftigen Handelns ist - und wo dem Ich die Freiheit zur Unvernunft bleibt. Dies ist eine solche Stelle.

Dies ists, woduch ich mir zu einem Begriffe und mir selbst fasslich werde. Diese Aufgabe, mich selbst zu bestimmen, hier wars uns nur um die Bestimmtheit zu tun, um die Bestimmbarkeit einzusehen [sic]. Was ist also die Bestimmbarkeit? Oder: Wie geht man vom Denken der Bestimmtheit zur Bestimmbarkeit über? Was ist denn nun das, aus welchem ich mich herausgreife?

Das Bestimmte ist reiner Geist, also auch das Bestimmbare ist reine Geistigkeit, id est Welt vernünftiger Wesen außer mir. Also das Entstehen meiner als Individuum ist etwas Genetisches. Ich erzeige mich als Individuum [dadurch], dass ich mich aus dem Vernunftreiche herausgreife.
 
Die reine Ichheit ohne Grenzen und die empirische Ichheit, woher kommen sie? Letzterer Begriff wird erzeugt durch ein Herausgreifen, wie der Ofen [sic], nur mit dem Unterschiede, dass erstes aus dem Vernunftreich herausgegriffen ist. Nur muss klar sein, dass das Sollen, der kategorische Imperativ, zugleich ein theoretisches Prinzip ist. Was treibt uns zu der Annahme vernünftiger Wesen unseresgleichen außer uns?
 
Nota.
Weiter oben hörten wir es anders herum, da war es eben die Selbstheit der Person, die sich aus dem Reich der Vernunftwesen 'herausgriff'; also nicht die 'reine Ichheit ohne Grenzen', sondern die 'empirische' Ichheit. Ich tippe darauf, dass Krause hier F. nicht richtig verstanden hat.
 


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Neu durchgesehene und kommentierte Ausgabe.

  Fichte's Vorlesungen über die Wissenschaftslehre, gehalten zu Jena im Winter 1798-99   nachgeschrieben von K. Chr. Fr. Krause ...