[[S. 35]] §2
Beim ersten Schritte, den wir in der Wissenschaftslehre taten, war es
uns darum zu tun, dass das Ich nur durch Tätigkeit charakterisiert würde, und
wie dies geschähe, denn der Idealismus erklärt alles, was im Bewusstsein
vorkommt, aus dem Handeln des Ich, und der kritische Idealismus aus einem
notwendigen Handeln, das unter Gesetzen steht. Jetzt ist unser Zweck, besonders
anschaulich zu machen, dass das Ich nicht durch alle Tätigkeit, sondern bloß
durch in sich zurückgehende Tätigkeit charakterisiert würde. Es ist nämlich
nicht gesagt worden, durch alles Handeln,
sondern durch ein bestimmtes Handeln ist der Begriff des Ich zu Stande
gekommen.
Hierauf wird nun reflektiert.
1) Bei dem, was im vorigen Paragraphen postuliert wurde, soll noch etwas
bemerkt werden. Es war dort aufgegeben ein bestimmtes Handeln, [ein] einem anderen auch wohl denkbaren
[Handeln] entgegengesetztes Handeln. Es wurde auf das
Zustandekommen des Begriffs vom Ich achtgegeben und auf nichts anderes. Diese
Einschränkung wurde bemerkt, und nur in dieser Bemerkung wurde man sich der
Tätigkeit bewusst. Dieses Abziehen von jedem möglichen anderen Gegenstande und
Hinrichtung auf ein Bestimmtes war eben diese Tätigkeit. So lässt sich alles
Handeln denken als ein Einschränken in eine gewisse Sphäre. Alles Bewusstsein
der Selbsttätigkeit ist ein Bewusstsein unseres Einschränkens unserer Tätigkeit. Nun kann ich mich nicht anschauen als beschränkend, ohne ein
Übergehen von der Unbestimmtheit zur Bestimmtheit mit zu setzen, also ohne die Unbestimmtheit zu setzen und dem Bestimmten entgegenzusetzen. Auf diesen Punkt kommt viel an.
Das Bestimmte, auf das Denken des Ich Beschränkte wird als Tätigkeit
gesetzt und kommt als solche[s?] zum Bewusstsein. Mithin kommt auch das Unbestimmte
nur durch Tätigkeit zum Bewusstsein, welches wir, weil es in Beziehung auf das Bestimmtsein und
mit ihm zugleich gesetzt wird, das Bestimm-//36//bare nennen
wollen. Nach dem obigen ist Tätigkeit nicht ohne Ruhe anschaubar, aber
Tätigkeit ist nicht anschaubar außer als bestimmte, aber der Begriff einer
bestimmten Tätigkeit ist nicht möglich ohne das Anschauen eines Bestimmbaren.
Es könnte jemand der Einwand
kommen, es sei wohl erwiesen worden, dass das Ich nur zu setzen sei durch in
sich zurückgehende Tätigkeit; dass Tätigkeit nur zu setzen sei im Gegensatz der
Ruhe, dass bestimmte Tätigkeit nur zu setzen sei durch das Setzen eines
Bestimmbaren; wenn aber daraus der allgemeine Satz sollte gefolgert werden,
kein Bestimmtes ohne Bestimmbares, so sei dies ein Fehlschluss, weil da aus
etwas Besonderem ein Allgemeines sollte abgleitet werden. Allein alles
Bewusstsein ist ja vermittelt durch das sich selbst Setzen des Ich, alles, was [dem Bewusstsein!] vorkommt, ist
Produkt der Tätigkeit des Ich; kommt nun ein bestimmtes Produkt vor, so ist es
Produkt einer einmal bestimmten Tätigkeit des Ich. Da nun keine bestimmte
Tätigkeit des Ich gesetzt werden kann ohne eine bestimmbare, so gilt dieser
Satz allgemein.
2) Nun ist diese bestimmte Tätigkeit nicht eine bestimmte Tätigkeit
überhaupt, welches ein Widerspruch wäre, sondern sie ist eine besondere
bestimmte Tätigkeit. (Es kann nichts überhaupt, ohne auf eine gewisse Weise
bestimmt sein. Aber man kann wohl in der Abstraktion so sagen, allein hier soll
nicht abstrahiert, sondern angeschaut werden.) Dieses sich selbst Beschränken,
sich Setzen, sich unmittelbar Anschauen, sich seiner selbst bewusst Werden, es
bedeutet immer das Anschauen seiner selbst.
Aber die bestimmte Tätigkeit lässt sich nicht setzen, ohne dass die
entgegengesetzte Tätigkeit, von welcher das Bestimmte abgezogen wird,
mitgesetzt werde. Ein sich Setzen lässt sich nicht verstehen, ohne dass ein
sich nicht Setzen zugleich mitgesetzt werde. Es folgt schon aus dem obigen,
aber auch aus der Anschauung. Man denkt nicht deutlich und kann nichts deutlich
denken, ohne sein Gegenteil zugleich mitzudenken. Dies wird nicht bewiesen,
aber jeder, der nur etwas deutlich denkt, wird es in sich finden. So muss man
sich beim Setzen des Ich das nicht-Setzen desselben mitdenken.
Nota.
‚An sich‘
kommt gar nichts vor. Nur einem Bewusstsein kann etwas vorkommen. An sich ist
nichts bestimmt oder unbestimmt; nur in einem Bewusstsein gibt es Bestimmtheit –
und folglich Unbestimmtheit. Nur einem Bewusstsein ist etwas deutlich oder
undeutlich.
//37// Die vorher als bestimmbare Tätigkeit überhaupt zu
setzende Tätigkeit wird sonach zum Behufe des Postulats gesetzt als Nichtich,
sie geht auf das Gegenteil des Ich. So gewiss also das Ich gesetzt werden soll,
so gewiss muss ein Nichtich mitgesetzt werden. Der Charakter des Nichtich geht
nun unmittelbar aus dem Gegensatz hervor, denn die Tätigkeit, durch welche ich
auf dasselbe komme, ist das einzige Mittel, es zu charakterisieren.
Zuvörderst, dass die Tätigkeit des Ich [darauf gehe], darin sind beide gleich. In beiden Fällen bin ich
das Denkende; aber darin sind beide verschieden: Die erste geht auf das in ihr
und auf sie Tätige selbst; die entgegengesetzte kann also nur auf ein Ruhendes,
sich nicht Setzendes (jedenfalls nicht in dem Sinne, wie das Ich sich setzt)
gehen. (Ob ihr in einer anderen Bedeutung das sich Setzen zukomme oder nicht,
gehört nicht hierher.)* Es ist etwas für das in unserer Betrachtung sich setzende Ich
Vorhandenes. Das sich Setzende findet es. Es findet es nicht als Produkt seiner
Freiheit, sondern der Notwendigkeit, die aber eine bedingte ist und nur darum
stattfindet, weil das Ich sich erst gesetzt hat. (Ich denke mir das Ich klar
heißt: Ich fordere etwas, das NichtIch sein soll.)
* [Gemeint ist hier schon die ‚Reihe vernünftiger Wesen außer
mir‘.]
Der Begriff des NichtIch ist kein Erfahrungsbegriff, er lässt sich nur
aus der Handlung ableiten, durch die er konstruiert wird. Das NichIch ist ein
bloß Gesetztes, etwas, das durch bloßes Sein bestimmt wird. (Tiefer unten wird
der Begriff des Seins aus dem Begriff der Tätigkeit, der nicht weiter erklärt
werden kann, abgeleitet werden.)
3) Wir reflektieren noch ein wenig über das jetzt Gefundene und darauf,
wie wir es gemacht haben. – Alles anknüpfen an das Ich oder alle Synthesis
beruht nach der vorigen und jetzigen Paragraphen auf einem Entgegensetzen; soll
ich etwas anschauen und denken, so muss ich es entgegensetzen. – Dieses
Entgegensetzen ist der Grund alles Herausgehens aus dem Ich, im vorigen
Pagraphen aus der Anschauung, im gegenwärtigen aus dem Ich selbst. Dort gingen
wir aus von der Anschauung und knüpften an sie den Begriff; hier aus dem Ich
als Gesetzten und setzen ein NichtIch.
//38// Nun fragt es sich: Ist unser bisheriges Räsonnement eine Deduktion, oder
ist wieder etwas vorausgesetzt worden, wie im vorigen Paragraphen? Ist es
erwiesen, dass mit dem Ich ein NichtIch vereinigt werden müsse? Oder haben wir
wieder etwas vorausgesetzt, und welches könnte das Vorausgesetzte sein?
Durch das Reflexionsgesetz des Entgegensetzens sind wir darauf gekommen,
dieses haben wir in der Anschauung nachgewiesen. Dies könnte also das
Vorausgesetzte nicht sein. Die Voraussetzung liegt darin: Wir sind ausgegangen
von dem Gedanken, wenn das Ich selbst wieder Objekt unseres Bewusstseins sein
soll, so folgt, dass ein NichtIch gesetzt werden muss. Aber soll denn das Ich
Objekt des Bewusstseins werden? Dies ist nicht bewiesen.
Im vorigen Paragraphen wurde bewiesen, dass allem Bewusstsein
unmittelbares Bewusstsein vorausgehen müsse; aber dies ist nie ein Objektives,
sondern immer das Subjektive in allem Bewusstsein. Das Bewusstsein, aus dem wir
jetzt argumentiert haben, ist nicht unmittelbar, es ist Repräsentation des unmittelbaren, aber es selbst nicht. Das Unmittelbare ist Idee und kommt nicht zu Bewusstsein. Das erste Denken des Ich
war ein freies Handeln, aber daraus folgt kein notwendiges. Das Bewusstsein des
Ich ist nicht ohne Bewusstsein des NichtIch, dies ist bewiesen. Nun können wir
zwar postulieren, aber dann müssten wir es auch als Postulat ankündigen; es
würde dann Teil des vorausgesetzten Grundsatzes. Ob es notwendig sei, so zu
postulieren, werden wir sehen, wenn wir höher steigen. Wir haben weder erwiesen
noch bewiesen ein NichtIch, sondern wir hätten bewiesen ein Wechselverhältnis
zwischen Ich und NichtIch.
4) Wir haben nun die gegenwärtige Synthesis mit der vorigen zu vergleich
und an die Kette anzuknüpfen:
Im vorigen Paragraphen wurde bemerkt, dass man Tätigkeit nicht setzen
könne, ohne ihr Ruhe entgegenzusetzen; hier: dass man keine bestimmte Tätigkeit
setzen könne, ohne ihr eine bestimmbare entgegenzusetzen. Also das Verfahren in
beiden, worauf es ankommt, um vom einen zum andren überzugehen, war in beiden
Untersuchungen dasselbe. Die gegenwärtig deduziert Handlung ist mit der vorigen
dasselbe, wir lernen //39// sie nur besser kennen. Ist sie
dasselbe, so muss auch das, worauf übergegangen wird, dasselbe sein, also Ruhe
und Bestimmbarkeit muss dasselbe sein, sie muss in ihr enthalten sein, denn
eben wenn eine Tätigkeit als solche noch bloß bestimmbar ist, hat sie den
Charakter der Ruhe und ist keine Tätigkeit. Vermögen ist nicht Handlung,
sondern das, wodurch Handlung erst möglich wird. Dadurch, dass Tätigkeit
begriffen wird, wird sie zum Begriff. [= Tätigkeit außerhalb der Zeit, jenseits des Verlaufs; d. h.
als abgeschlossen betrachtet. JE]
Man könnte auch umgekehrt sagen: So ists mit der Bestimmbarkeit. Nur ist
hier die Bemerkung zu machen, dieser Begriff ist nur Begriff in Beziehung auf
die Anschauung des Ich, in Beziehung auf das NichtIch ist sie selber
Anschauung. In der Anschauung ist die Tätigkeit in Aktion, im Begriff nicht,
sondern da ist sie bloßes Vermögen. Wird aber diese Tätigkeit im Begriff
bezogen auf das NichtIch, so ist sie Anschauung. Wir dürften sonach zwei
Anschauungen bekommen, innere und äußere; intellektuelle und eine andere, die
sich auf das NichtIch bezieht.
In diesem Zustande des Gemüts, den wir jetzt betrachten, gibt’s zwei
abgesonderte Hälften, die eine ist die des Beabsichtigten, die andere die des
notwendig Gefundenen, welches wir nennen wollen das Gegebne. Die Absicht war,
eine Tätigkeit zu setzen, und es wurde Ruhe mitgefunden. Die Absicht war
ferner, eine bestimmte Tätigkeit zu setzen, und es wurde ein bestimmbare
mitgefunden. In der ersten Sphäre ist zweierlei enthalten: erstens in sich
zurückgehende wirkliche Tätigkeit = A; zweitens, was durch diese Tätigkeit zu Stande gekommen ist = B. In der gegebenen [Sphäre] liegt
abermals zweierlei: erstens bestimmbare Tätigkeit (id est bestimmbar zum wirklichen Handeln, denn in anderer Rücksicht
mag sie selbst wieder bestimmbar sein) = C. Zweitens das durch diese bestimmte
Tätigkeit hervorgebrachte //40// NichtIch = D.
Nota.
Vermögen 'ist' nicht die Substanz der Tätigkeit, sondern wird als solche lediglich gedacht: Es ist ein Noumen
und nicht die 'Seele' der Tätigkeit. Im Bild des springenden Pferdes
ist nicht das Wesen des Pferdes realisiert, sondern wird lediglich das
Pferd als möglicherweise springend angeschaut. Real ist nicht das Bild,
sondern nur ein Pferd, das wirklich springt.
Dies untersuchen wir nach der oben vorgetragenen Lehre von der Anschauung und Begriff.
Alles Bewusstsein geht aus von dem oben angezeigten unmittelbare Bewusstsein
(§1). Das durch und in diesem Bewusstsein sich selbst Setzende = A ist
eine von uns, die wir philosophieren, mit Freiheit der Willkür
hervorgebrachte Repräsentation des unmittelbaren Bewusstseins.
(Das unmittelbare Bewusstsein ist in allem Bewusstsein das
Bewusstseiende, aber nicht das, dessen man sich bewusst ist, das Auge
sieht hier das Sehen des Auges). Die Repräsentation brachten wir hervor
mit Willkür. Wir hätten auch von etwas anderem reden können; so haben
wir zur Seite liegen lassen, ob es nicht in anderer Rücksicht mit
Notwendigkeit repräsentiert werden könne. – Diese A, dieses Zu- schauen
des sich Setzens, ist Anschauung, und zwar innere, intellektuelle Anschauung. –
Schon im ersten
Paragraphen fanden wir, dass keine Anschauung, also auch die Anschauung
A nicht, möglich ist ohne Begriff. Welcher Begriff muss mit der
Anschauung A verknüpft werden? Etwa der beabsichtigte B? Offenbar nicht,
denn der, den wir suchen, muss im Gegebenen liegen, dieser Begriff wäre
sonach der, durch den die Anschauung A bedingt wird = C, das
Bestimmbare oder ruhende Tätigkeit. Also C ist in Beziehung auf die
Anschauung A der Begriff, der sie bedingt.
Nota.
'Keine Anschauung ohne Begriff ' - will sagen: Man kann nicht anschauen, ohne sich sogleich einen Begriff zu machen; nicht aber: man könne nicht anschauen, ohne sich zuvor einen Begriff gemacht zu haben.
Dieser Begriff C
ist nun in anderer Beziehung auch Anschauung zu nennen. Er ist das
unmittelbare Bewusstsein selbst, das nicht angeschaut, sondern
begriffen wird; nicht als Tätigkeit, sondern als Ruhe. Dieser Begriff
ist das in der Anschauung A Nachgemachte. (Alles Anschauen ist ein
Nachbilden.) Dieser Begriff ist der unmittelbare und höchste, gegründet
auf die intellektuelle Anschauung, die als solche nie Objekt des
Bewusstseins wird; aber wohl als Begriff, in diesem Begriff und
vermittelst dieses Begriffes findet das Ich sich selbst und erscheint
sich als gegeben.
Ich kann mich
nicht anders begreifen denn als Ich, das heißt als sich selbst
Setzendes, also als Anschauendes. Jener Begriff ist also der Begriff
eines Anschauens und in dieser Rücksicht selbst Anschauung zu nennen.
Das Ich ist sich selbst setzend (ein sich selbst setzendes Auge), und
als solches wird //41// es
begriffen, also begriffen als Anschauung. C ist Begriff in Beziehung
auf A, Anschauung in Beziehung auf ein mögliches x. Ich finde mich
anschauend als anschauend Etwas x. (Die innere und äußere Anschauung ist
bei Kant nur sinnlich, das Ich erscheint bei ihm nur als bestimmt, bei
mir aber als bestimmend.)
Im vorigen
Paragraphen war C nur Begriff, hier ist es Begriff und Anschauung. In
der Folge wird es Anschauung sein; es kann Verschiedenes bedeuten, je
nachdem es in verschiedenem Verhältnisse gesetzt wird.
Nota.
Fichte hat den Ausdruck Dialektik nie
für seine Methode in Anspruch genommen, und der Nachfolger auf seinem
Berliner Lehrstuhl, der ihn zum Arkanum seines totalitären Systems
machte, hat aus Fichtes 'analytisch-synthetischer Methode' gerade das entfernt, was den Ausdruck Dia lektik rechtfertigen könnte: das treibende Moment des schlechterdings wollenden
Subjekts, und an seine Stelle die 'Selbstbewegung des Begriffs' gesetzt
- der zwar hier in dieser, dort in jener Bestimmung 'erscheint', aber
doch immer er selber, immer Begriff bleibt; immer Objektivum.
In
einer rationellen Dialektik tritt der Begriff dagegen stets nur als
eine Vorstellungsweise des wollenden Subjekts auf, so wie die Anschauung auch, und wenn sie miteinander 'die Stelle wechseln' können, so nur, weil jenes seine Stellung wechselt.
Das Ich in C
wurde gefunden als sich selbst setzend; wurde in C nicht in Tätigkeit,
sondern in Ruhe gefunden, als ein sich selbst setzendes Gesetztes. Seine
Tätigkeit als solche ist aufgehoben, sie ist eine ruhende Tätigkeit,
die aber doch eine Anschauung ist und bleibt. Wie nun allenthalben die
Anschauung einem Begriffe entgegesteht und sie selbst nur durch diesen
Begriff möglich ist, so ists auch hier. Dies [dem] C
Entgegengesetzte ist nun das, was wir oben D nannten. Der Charakter des
Begriffs überhaupt ist Ruhe, nun ist C als Anschauung betrachtet schon
Ruhe, da nun D in Rücksicht auf C Ruhe ist, so ist es Ruhe der Ruhe; was
ist nun D?
Indem C dem D
entgegengesetzt wird, ist es allerdings Tätigkeit, die durch freie
Selbstbestimmung zur wirklichen Tätigkeit hervorgerufen werden kann. Es
ist Tätigkeit dem Wesen nach (C ist Tätigkeit des Ich als Substanz
betrachtet, wovon weiter unten, denn hier bleibt es bloße Redensart.)
Das Gegenteil dieser Tätigkeit D wäre nun reelle Negation von Tätigkeit, nicht bloß Privation, die Tätigkeit Aufhebendes, Vernichtendes, nicht Zero, sondern negative Größe. Dies
ist der wahre Charakter des eigentlichen Seins, dessen Begriff man mit
Unrecht für einen ersten unmittelbaren gehalten hatte – denn der
einzige unmittelbare Begriff ist der der Tätigkeit.
Sein negiert in
Beziehung auf ein außer dem Sein gesetztes Tätiges; durch Sein wird
Machen aufgehoben. Was ist, kann nicht gemacht werden. Sein negiert
Zweck in Beziehung auf das Setzende; was ich bin, kann ich nicht werden.
Nota.
Die
Dialektik von A, B, C und D ist schwindelerregend. Ob das wirklich
nötig war? Aber ich denke, er wollte nunmal auf seine Schlussfolgerung
heraus: Der 'erste, unmittelbare' Begriff ist nicht Sein, sondern
Tätigkeit. Sein ist nicht nur ein Mangel an Tätigkeit, sondern
Anti-Tätigkeit, Wider(Gegen-)stand der Tätigkeit.
So entpuppt sich die radikale Transzendentalphilosophie, "echter durchgeführter Kritizismus", nicht bloß als eine implizite Anthropologie, sondern als eine Metaphysik sui generis, im allerstärksten Sinn: eine aktualistische Fundamentalontologie; als solche aber keine theoretische Voraussetzung, sondern praktisches Postulat.
So hat der
gemeine Menschenverstand, ohne es zu wissen, die Sache immer genommen.
Mit der Existenz der Welt wollte er sich nicht begnügen, er stieg zu
einem Schöpfer auf.
Nota.
Sein ist
Charakter des NichtIch, der Charakter des Ich ist Tätigkeit, der
Dogmatismus geht vom Sein aus und erklärt dies fürs Erste, Unmittelbare.
Indem die
Tätigkeit des Ich ruhend ist in C, ist die Tätigkeit des Ich vernichtet
durch das NichtIch. Jene Tätigkeit in C, die nicht eigentlich Tätigkeit
ist, die man aber nennen kann die Substanz des Ich, zeigt sich
wenigstens in so fern als Tätigkeit, dass sie eine Anschauung ist. Das
Entgegengesetzte wäre sonach keine Anschauung, es wäre reelle Negation des Anschauens, ein Angeschautes; dies wäre abermals der Charakter des NichtIch, daher ist das NichtIch als Ding an sich eine Absurdität. Es muss immer bezogen werden auf ein Anschauendes.
Wir haben oben
gesehen: Auf der Notwendigkeit des Entgegensetzens beruht der ganze
Mechanismus des menschlichen Geistes; die Entgegengesetzten sind ein und
dasselbe, nur angesehen von verschiedenen Seiten. Das Ich, welches in
dem Beabsichtigten liegt, und das NichtIch, welches in dem Gegebenen
liegt, sind ein und dasselbe. Es sind nur zwei unzertrennliche Ansichten
darum, weil das Ich Subjekt-Objekt sein muss. Aus letztem Satze geht
alles hervor.
Aus der
ursprünglichen Anschauung entstehen zwei Reihen, die subjektive oder das
Beabsichtigte und das Objektive oder das Gefundene; beide können nicht
getrennt werden, weil sonst keine von beiden ist. Beide Ansichten
desselben, subjektive und objektive, sind beisammen, heißt: Sie sind
nicht nur in der Reflexion unzertrennlich, sondern sie sind auch als
Objekte der Reflexion eins und dasselbe. Die Tätigkeit, die in sich
zurückgeht, welche sich selbst bestimmt, ist keine andere als die bestimmbare, es ist dieselbe und unzertrennliche.
Das NichtIch
ist also nichts anderes als eine andere Ansicht des Ich. Das Ich als
Tätigkeit betrachtet gibt das Ich, das Ich in Ruhe betrachtet das
NichtIch. Die Ansicht des Ich //43// als Tätiges kann nicht stattfinden ohne die Ansicht des Ich als Ruhenden [sic], d.
h. NichtIch. Daher kommts, dass der Dogmatismus, der das Ich nicht in
Tätigkeit denkt, gar kein Ich hat. Sein Ich ist Akzidens des NichtIch.
Der Idealismus hat kein NichtIch, das NichtIch ist ihm nur eine andere
Ansicht des Ich. Im Dogmatismus ist das Ich eine besondere Art vom
Dinge, im Idealismus das NichtIch eine besondere Weise, das Ich
anzusehen.
Nota.
Das ist ein rhetorischer Kniff, den gesunden Menschenverstand, weil er sich zur Welt naiv einen Schöpfer denkt,
zum Kronzeugen gegen den Dogmatismus aufzurufen. Er ist im Gegenteil
ein Dogmatiker von Ursache und Wirkung - dass etwas 'ist', ohne dass
einer es bewirkt hätte, kann er sich schlechterdings nicht vorstellen;
deshalb kommt er, wie wissenschaftlich er sich auch drapiere, im
Angesicht des Faktums der Freiheit regelmäßig ins Schlingern.
Wie ist das nun mit dem Finden und der Absicht?
Wenn ich nicht auf irgendwas absähe, würde ich nie etwas finden: Fichte
hat das ursprüngliche Wollen des Menschen an den Anfang der
Wissenschaftslehre gesetzt. Was immer Eingang ins Bewusstsein findet -
das Absehen ist immer die Bedingung. So sagt der
Transzendentalphilosoph, doch sobald er das Katheder verlässt, ist er
Realist wie alle andern: Die Menschen wären nie aufs Absehen verfallen,
wenn sie nicht tatsächlich Etwas gefunden hätten; etwas, das ihnen fremd, also unbestimmt war und zum Bestimmen herausforderte.
Es ist immer alles dasselbe, das wiederholt er oft genug; aber eben immer wieder von der nächsthöheren Stufe aus betrachtet.
§ 2 (diktiert 1798)
Jene Tätigkeit
der Reflexion als solche, durch welche die Intelligenz sich selbst
setzt, wird, wenn sie angeschaut wird, angeschaut als eine sich
bestimmende Agilität, und diese wird angeschaut als ein Übergehen aus
dem Zustande der Ruhe und Unbestimmtheit, die jedoch bestimmbar ist, zu
dem der Bestimmtheit. Diese Bestimmbarkeit erscheint hier als das
Vermögen, Ich oder NichtIch zu denken, und es werden sonach in dem
Begriffe der ersten die beiden letzten Begriffe notwendig mitgedacht und
einander gegenüber gesetzt. Beide Begriffe erscheinen sonach bei
Erregung der selbsttätigen Reflexion als etwas unabhängig von derselben
Vorhandenes, und der Charakter des NichIch ist das Sein, eine Negation.
§2. Man
werde ferner finden, wird behauptet, dass man sich im Entwerfen des
Begriffs vom Ich nicht tätig setzen könne, ohne diese Tätigkeit als eine
durch sich selbst bestimmte, und diese nicht ohne ein Übergehen von der
Unbestimmtheit oder Bestimmbarkeit zu setzen, welches Übergehen eben
die bemerkte Tätigkeit ist ( N. 1 et 2 supra).
Den durch die bestimmte Tätigkeit entstandenen Begriff könne man
gleichfalls nicht fassen, ohne ihn durch ein entgegengesetztes NichIch
zu bestimmen, das Bestimmbare sei dasselbe, was oben das Ruhende war
(§1), weil es eben zur Tätigkeit bestimmt wird, und das, was in
Beziehung auf die Anschauung des Ich Begriff desselben sei, sei [in Beziehung] auf das NichtIch Anschauung. //44// Es sei nämlich Begriff des Anschauens (N. 4). Dem NichtIch komme zu Folge der Entgegensetzung zu der Charakter der Negation der
Tätigkeit, das ist der des Seins, welcher der Begriff aufgehobener
Tätigkeit, sonach nicht ein irgend ursprünglicher, sondern ein von der
Tätigkeit abgeleiteter und negativer sei.
Nota.
Dies ist die ausdrückliche anthropologische Prämisse
der Wissenschaftslehre: Der Mensch wird zum Ich, weil er
schlechterdings tätig, und das heißt, weil er schlechterdings wollend
ist. Wollen heißt bestimmen wollen. Das Ich ist schlechterdings
tätig heißt, das Ich ist schlechterdings übergehend vom Bestimmbaren zum
Bestimmten. Ein Unbestimmtes 'gibt es' - nämlich für ein Ich - gar
nicht: Denn indem es einem Ich vorkommt, wird es bestimmt als ein Zubestimmendes.
Das
ist nicht die Bewusstseinsverfassung des nomadisierenden Hirten, auch
nicht die des Ackerbauern. Es ist die Bewusstseinsstellung der Menschen
in der bürgerlichen Gesellschaft.
Und wenn nicht, finden sie sich dort nicht zurecht. Insofern ist die Wissenschaftslehre auch eine pädagogische Doktrin.
Vergleich mit dem Compendio §§ 2 et 3.
Hatten wir hier [Grundlage...] etwas
postuliert, so wäre es das Erkenntnis überhaupt des Übergehens vom Ich
zum Vorgestellten. Dass diese Erkenntnis, dies Objektive bestimmt sein
müsse, ist in der Anschauung nachgewiesen. Aus dieser notwendigen
Bestimmtheit ist Bestimmbarkeit und aus dieser das NichIch deduziert. In diesem Stücke nun [WL nova methodo] ist der beobachtete Gang völlig umgekehrt. Es wird da ausgegangen vom Entgegensetzen des NichtIch, und es wird postuliert als absolut
(§2). Aus diesem Entgegensetzen wird das Bestimmen abgeleitet (§3).
Beide Wege sind richtig; denn die notwendige Bestimmtheit des Ich und
das notwendige Sein des NichtIch stehen im Wechsel. Man kann von einem
zum andern übergehen. Beide Wege sind möglich.
Aber
gegenwärtiger hat die Vorzüge: Die Bestimmtheit des Ich ist zugleich
Verbindungsmittel zwischen Ich und NichtIch. Was nach der gegenwärtigen
Darstellung Verhältnis zwischen Bestimmtheit und Bestimmbarkeit genannt
wurde, heißt im Buch Quantität, zuweilen auch Quantibilität. Dies
hat zu Missverständnissen Veranlassung gegeben. Quantität hat
eigentlich nur das Setzende. Aber davon ist hier noch gar nicht die
Rede. Der 3. Paragraph würde jetzt der 2. sein, und umgekehrt. Mit dem
NichtIch ist abermal[s] ein anderer Weg eingeschlagen worden, das NichIch ist nicht unmittelbar, sondern mittelbar postuliert worden.
P. 18, N.1. Durch diesen Satz wird das absolute Entgegensetzen überhaupt nachgewiesen.
P. 20, N.6. Das Entgegensetzen. Man kann Handeln nicht setzen //45// ohne
Ruhe, Bestimmtes nicht ohne Bestimbares, Ich nicht ohne NichtIch, und
daher kommt Einheit des Handelns und Einheit des Bewusstseins heraus.
P. 21, N.9.
Hier wird erwiesen das absolute Entgegensetzen. Wenn dies unmöglich
wäre, wem könnte etwas entgegengesetzt werden? Das Ich ist absolut
gesetzt, also das absolut Entgegengesetzte ist das NichtIch.
P. 23, § 3.
„mit jedem Schritte“ pp, es ist eigentlich nur von einem Deutlichmachen
dessen, was in uns vorgeht, die Rede, es wird in der alten Weise
fortgegangen und nur analysiert.
P. 24, N.1. „insofern“. In dem insofern
liegt schon das, was abzuleiten ist, mit drin. Insofern bedeutet
Quantität, [=] Sphäre. Man könnte sagen: Wenn das NichtIch gesetzt ist, so
ist das Ich nicht gesetzt. Nun soll in dem Bewusstsein das NichtIch
vorkommen, und in demselben Bewusstsein auch das Ich; denn das NichtIch
setzt nichts ohne ein Ich. Ein Gegenteil versteht man nicht, ohne sein
Gegenteil mitzusetzen.
P. 26, N.1. Da
nun Entgegengesetztes beisammen bestehen soll, so muss das Ich das
Vermögen haben, Entgegengesetztes zusammen zu setzen in demselben
Akt des Bewusstseins, weil eins ohne das andere nicht möglich ist. Im
Ich ist das Vermögen, synthetisch zu verfahren.
Synthesis
soll heißen zusammensetzen; nun kann aber nur zusammengesetzt werden,
was entgegengesetzt ist. Soll nun in einem Akt zusammengesetzt werden,
so muss [das Ich] in
einem Akte Entgegengesetztes, also ein Mannigfaltiges zu Stande bringen
können; mithin muss ein solcher Akt einen Umfang haben. Dieser Umfang
des Akts nun, in welchem Mannigfaltiges zusammengesetzt wird und wodurch
es möglich wird, wird im Buch [Grundlage] genannt Quantitäts fähigkeit.
Im Bewusstsein dieses
Handelns liegt das, wovon übergegangen wird; das, wozu übergegangen
wird, und das Handeln selbst. Das Bewusstsein ist kein Akt, es ist
ruhend, in ihm ist Mannigfaltigkeit, über welche das Bewusstsein
gleichsam hinüber geführt wird. Im Bewusstsein ist alles zugleich
vereinigt und getrennt. Dies bedeutet die Schranken, Teilbarkeit,
Quantitätsfähigkeit. P. 28, N.8.
//46// ibidem, N
9. "ich sowohl" pp. Dies kann zu Missverständnissen Veranlassung geben.
Ich und NichtIch sind nur Teile des Mannigfaltigen, sie liegen in
demselben Bewusstsein, sie sind nicht zu trennen, beide sind partes integrantes. Darin
liegt das Beschränken; was eines ist, ist das andere nicht. Aber es
heißt nicht, das Ich ist wieder zu teilen, und das NichtIch. Es soll heißen: Das Bewusstsein ist teilbar in Ich und Nichtich.
P.
29 "erst jetzt" pp "Etwas ". Ich und NichtIch sind nun beide etwas
heißt: Man kann ihnen Prädikate zuschreiben, dies geschieht nur durch
Gegensetzen. Alles Etwas-Sein ist nur durch Gegesetzen.
P. 30 Es ist bloß
bewiesen, wenn das Ich zum Bewusstsein kommen solle, so müsse es ein
NichtIch setzen, aber es ist nicht bewiesen, dass es dazu kommen solle.
Nota I.
Diesen
Satz sollte man als Fußnote unter jede Seite der Wissenschaftslehre
setzen. Die Aufgabe, die sie sich gestellt hat, ist, das tatsächliche
Bewusstsein der vernünftigen Individuen zu erklären. Dass es zustande
kommen muss, ist aus ihm selbst heraus nicht zu begründen. Es ist aber
wirklich zustande gekommen. Es fehlt zu vielen notwendigen die letzte,
die hinreichende Bedingung. Die wird immer wieder nur Freiheit sein können; sie wird als erste und ultimative Bedingung im Nachhinein aufgefunden.
Nota II.
Der wahre Philosoph mit dem Hammer
war Kant, doch als ihm der Arm wehtat, hat er ihn beiseite gelegt; aber
da er ihn einmal ergriffen hatte, war er nun da, wer sich aufgerufen
fühlte, konnte ihn zur Hand nehmen.
Fichte hat ihn zur Hand genommen und die Arbeit von da zu Ende geführt, wo Kant sie abgebrochen hatte. Der wahre Alleszermalmer war er.
Doch als er darauf aufmerksam gemacht wurde, dass er wirklich alles zermalmt hatte, bekam er kalte Füße und ist positiv geworden.
*
Die im Hochschulbetrieb noch heute gepflogenen Vorlesungen heißen so, weil sie noch zu Kants Zeiten tatsächlich vorgelesen (und
nach Bedarf kommentiert) wurden: aus den Kompendien, deren Benutzung
die Fakultät den Lehrern vorgeschrieben hatte. Die waren viel zu teuer,
als dass die Studenten sie sich hätten selber beschaffen können, und die
Bibliotheken waren spärlich bestückt. Die Vorlesung ersetzt das
Lehrbuch.
Fichte hat nun
die Wissenschaftslehre zum erstenmal 1793/94 'gelesen', nicht nach einer
Vorlage, die es dafür ja nicht geben konnte, sondern nach den bogenweise
an die Hörer ausgelieferten Grundlagen der gesamten Wissenschaftslehre, die
so nach und nach entstanden. Dass ein Text, der auf diese Weise
zustandekommt, zu wünschen lässt, ist normal, Fichte hat es sogleich
bemerkt. Doch zu einer neuen schriftlichen Ausarbeitung der
Wissenschaftslehre ist es nie gekommen - Fichte meinte bald, für eine
Öffentlichkeit, die absichtlich falsch liest, dürfe man gar nicht schreiben. So hat er bis zum Schluss die Wissenschaftslehre nur mündlich und anhand der Grundlagen von 1793/94 vorgetragen. Krause hat F's Erläuterungen an dieser Stelle mitgeschrieben.
Hier sei auf
seine Erläuterung zur 'Quantität' hingewiesen, die ansonsten verwirrend
wäre. Gemeint ist, dass eine Sache X in sich als ein Mehr- und
Vielfaches unterschieden werden kann: Quantabilität ist in der Tat der bessere Ausdruck.
Insgesamt bezeugt dieser Absatz, wie F. in seiner kritischen Zeit die methodologische und wissenslogische Problematik nie aus dem Blick verlor.
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