1) Es gibt nach dem Obigen ein Mannigfaltiges des Gefühls, aber ein Gefühl ist eine bestimmte Beschränktheit, und es ist unmöglich, dass das Ich sich in derselben Rücksich als beschränkt fühle und sich auch nicht auf diese Weise beschränkt fühle; was allerdings sein würde, wenn in derselben Rücksicht ein Mannigfaltiges des Gefühls sein sollte. Das Ich wäre auf diese Art beschränkt und nicht beschränkt, das Ich wäre sich selbst entgegengesetzt; es bliebe keine Realität (Stoffheit). Sonach lässt sich ein solches Mannigfaltiges nur denken durch Veränderung des Zustands des Fühlenden. (Das Mannigfaltige darf kein simultanes, sondern muss ein sukzessives sein; dies wird erst deutlich, wenn die Zeit deduziert ist.)
Wie soll denn nun eine Veränderung der Zustands des Fühlenden möglich sein? Unsere bisherige Ansicht ist: Das Ich ist ursprünglich in gewisse Schranken eingeschlossen; daraus geht für das Ich hervor eine Welt. Das Ich kann mit absoluter Freiheit diese Schranken erweitern, dadurch verändert es seinen Zustand und damit auch seine Welt. Aber die Möglichkeit dieser Selbstbestimmung durch Freiheit ist noch nicht deduziert. Folglich kann hier die Rede davon noch nicht sein.
Verändert sich etwa der Zustand unserer Beschränktheit und die ihm korrespondierende Welt von selbst? Dies ist nicht zu erwarten, denn es gehört zum Charakter der Welt, dass sie nur ist, nicht wird, sie fängt keine Handlung an. Die Sache müsste so sein, dass schon in unserer Natur, in unserer Bestimmtheit ein Prinzip der Veränderung läge, so wie dies bei den Pflanzen und Tieren der Fall ist. - Tiefer unten wird sich so etwas finden. - Es verhalte sich wie es wolle, so darf ich hier diesem Postulate der Veränderung nur hypothetische Gültigkeit zuschreiben. Sollte sich aber zeigen, dass nur allein durch eine solche Annahme, und ohne sie nicht, das Bewusstsein erklärt werden könnte, dann hätte ich das Recht, sie kategorisch zu postulieren.
'Zum Charakter der Welt gehört, dass sie nur ist, nicht wird': Das wäre absurd, wenn von der Welt die Rede wäre, 'wie sie wirklich ist'. Hier ist aber die Rede davon, wie sie erstmals in der Vorstellung vorkommt, und zwar nicht die Welt in concreto, sondern eine 'Welt überhaupt'. Die setzt sich das Bewusstsein allerdings als schlechthin daseiend voraus.
Nota II.
[Gewiss wird sich das Ich seiner schließlich bewusst werden, indem es sich in seiner Vorstellung sich selbst 'entgegensetzt'. Aber wie kommt es dazu? Durch die Veränderlichkeit seines Zustands im Gefühl, die ist Bedingung.]
Vorderhand ists uns um die Vereinigung dieser verschiedenen Gefühle im Bewusstsein zu tun. Dies wird uns weiter führen.
Oben - Paragraph 6 - hatten wir eine ähnliche Frage aufgeworfen: wie das Mannigfaltige der Gefühle auf einander bezogen und unterschieden werden könne. Dies hat die materiale Schwierigkeit gelöst, aber nicht die formale: Worin werden denn die zwei Zustände vereinigt? Wenn ich sage: das Gefühl A, beziehe ich [es] auf meinen ganzen Zustand; so z. B.: Mein Zustand ist in A und B ganz, nur dass jetzt ein A, dann ein B abgerechnet ist - dann habe ich einen Faden, woran ich A und B festhalte; aber woran halte ich diesen Faden fest? Wir haben ein Was, aber kein Wie, das diesen Zustand festhält.
Es soll eine Synthesis erfolgen; dass sie wirklich geschieht - und also möglich war -, wissen wir, denn das ist unser Aussgangspunkt. Worin sie besteht, wissen wir jetzt auch. Aber wir wissen nicht, wie sie geschieht = wodurch sie möglich wurde.
Die Wissenschaftslehre soll nicht sein, wie Hegels Phänomenologie des Geistes, eine reale Entwicklungsgeschichte des Bewusstseins oder der Vernunft; sondern ein abstraktes Modell der Bedingungen ihrer Möglichkeit. Die müssen sämtlich im selben Momet da sei, wenn vernünftiges Bewusstsein werden soll.
Wir wollen vorläufig die Angabe [sic] genauer bestimmen. Es war oben und hier wieder die Rede von einem System der Sensi-//90//bilität überhaupt. Was ist nun dies? Die Gefühle selbst sind es nicht, denn sie sollen ja von ihm unterschieden und für das Ich erst möglich werden durch den Unterschied von [sic] und die Beziehung auf das System. Dieses System wäre also die Veränderlichkeit oder Affektibilität des Ich, und zwar als System, als etwas Erschöpftes, Ganzes, die ideale Tätigkeit Bindendes; die Summe der möglichen Veränderungen der Form nach, abstrahiert von allem Gehalte (das wird werden unser Leib als das System der Affektibilität und Spontaneität; von der ersteren ist hier nur die Rede).
Hier liegen offenbar mehrere Schreibfehler vor. In der ersten Zeile soll von der Vereinigung entgegengesetzter Zustände geredet werden. Im folgenden Satz ist es nichts Positives, denn nicht die Sensibilität, sondern das System ist gemeint. Und in der ersten Zeile des zweiten Absatzes soll wohl eine Aufgabe genauer bestimmt werden.
Bis hier waren die Gefühle eine Mannigfaltigkeit von Singularia, denen nur die Art und Weise, wie sie das Ich affizieren, gemeinsam war. Ihre Herkunft war ganz unklar, sie mochten vom Himmel gefallen sein. Abgeleitet waren sie nicht, aber real in jedem Fall. Ihre Herkunft muss ihrerseits 'hergeleitet' werden, nämlich re konstruiert aus dem Faktum des Gefühls.
Fichte leitet nicht aus einer vorausgesetzten Dualität von Geist und Leib einen Gegensatz von Fühlen und Denken ab, sondern leitet umgekehrt vom Platz des Gefühls in der Genesis des Bewusstseins den Leib her. Eine Dualität wird sich so voraussichtlich am Schluss nicht einstellen müssen.
Darum ist der Satz, das Ganze sei nichts als ein Verhältnis, nicht ontologisch zu verstehen wie bei Aristoteles, wo es 'mehr' sein soll als die 'Summe seiner Teile'; denn dieser Satz ist nicht vorstellbar, er müsste geglaubt werden, und das kommt für den Transzendentalphilosophen nicht in Frage.
Nota II.
Anschauen heißt Bestimmbares bestimmen. Welches Bestimmbare liegt hier vor? Nicht der Leib; der ist, und ist bestimmt. Und so der Zustand des Gesamtsystems der Sensibilität. Noch unbestimmt und also bestimmbar ist der Übergang zwischen zwei Zuständen: nicht das Übergehen in specie, sondern die ihm zu Grunde liegende Veränderlichkeit in genere. Sie ist das Bestimmbare am Leib, durch dessen Bestimmung der Leib für die Intelligenz werden kann. (War das zu rasant? Spätere Berichtigungen sind bei meinem Kommentaren immer vorbehalten.)
//S. 91// Das Ganze ist nichts als Verhältnisse, und doch soll Etwas
werden; dies liegt in der Natur der idealen Tätigkeit, und dieser ihr
produktives Vermögen zu erörtern ist unser vorzüglichstes Geschäfte, z.
B. dass Matereie im Raum ausgedehnt sei und dass dieses nichts sei als
ein Verhältnis auf unsere Empfindung.
Hier sind wir beim
Entstehungsorte des Systems unserer Sensibilität für uns, und unsere
gegenwärtige Voraussetzung, dass unsere Gefühle angeschaut werden,
erklärt dieses System der Sensibilität, so wie dieses unsere
Voraussetzung unterstützt.
Eine Veränderung von A
zu B wird angeschaut, ist also ein Bestimmtes, aber dies ist nichts ohne
Bestimmbares. Also keine Veränderung lässt sich anschauen ohne
Veränderlichkeit; soll aber diese etwas für uns sein, so kann sie nur
sein eine Zusammensetzung aus der Anschauung mehrerer Veränderungen.
Diese besondere und von
der vorigen Paragraphen aufgstellten verschiedene Anschauung heiße X,
sie ist nicht Anschauung überhaupt, sondern die Anschauung eines
Übergehens.
So gewiss angeschaut
wird, schwebt dem Anschauenden ein Objekt vor, welches sein Objektives
davon erhält, dass die Anschauung darauf bezogen wird. Diese
Veränderlichkeit wird also hier schon zu einem Etwas, weil seine
Anschauung darauf geht. (Das System unserer Veränderlichkeit ist unser
Leib. Dieser ist ja Etwas, soll ausgedehnt sein im Raume; dies wird er
lediglich durch die Anschauung.) Die Anschauung X ist eine Anschauung
des Ich selbst. Es wäre nun das Fühlende im System der Sensibilität
erschöpft; das Ich dauert in allen Gefühlen fort, X wäre die
Anschauung des Ich, in dieser Anschauung fände es sich selbst als
Objekt.
Darum ist der Satz, das Ganze sei nichts als ein Verhältnis, nicht ontologisch zu verstehen wie bei Aristoteles, wo es 'mehr' sein soll als die 'Summe seiner Teile'; denn dieser Satz ist nicht vorstellbar, er müsste geglaubt werden, und das kommt für den Transzendentalphilosophen nicht in Frage.
Alle Erfahrung ist ein beständiger Wechsel von Verän-//92//derungen. Woher nun das Fortdauernde, welches in den Erscheinungen erscheine?
Jenes Dauernde ist nichts anderes, als das in allem Wechsel vorstellende
Ich als das Handelnde, aber es erscheint qualis talis nicht, es
erscheint objektiv, weil es in die Anschauung hereinfällt. So ists in
der Anschauung X. Es sind die entgegengesetzten Gefühle A und B, diese
vereinige ich in mir, mich aber musste ich anschauen, und diese
Anschauung würde mir den Boden geben, auf den ich A und B auftragen
könnte. Es ist nun die Schwierigkeit, wie Tätigkeit qualis talis
angeschaut werden könnte. In der Anschauung X schaut das Ich sich selbst
an als das in beiden Gefühle A und B Tätige. Dies Resultat ist noch
Problem.
5) Überhaupt eine
bestimmte Tätigkeit ist die dem Ich in X zugeschriebene allerdings, denn
es ist die Anschauung Y als eines das Ich überhaupt Begrenzenden. Die
vorausgesetzte Begebenheit kurz ausgedrück heißt: Ich schaue mich an in
X als anschauend Y. Ich soll sonach in beiden Anschauungen mich finden
als dasselbe Ich, beide müssten demnach in einem Dritten vereinigt
werden.
Die Anschauung X wird
die meinige durch ein unmittelbares Gefühl, so nicht die Anschauung Y;
diese geht durch X hindurch und müsste da an sie geknüpft werden, wenn
sie meine heißen sollte. In der Anschauung X müsste die Anschauung Y
notwendig erhalten sein als ein notwendiger Bestandteil, so dass X und Y
nicht getrennt werden können. Y müsste durch X hindurch gefühlt
werden, und dies könnte nur so geschehen, dass die ideale Tätigkeit in Y
beschränkt wäre, gerade so zu bilden und nicht anders; dadurch nur
allein würde auch das Gefühl dessen, was Y anschaut, möglich. Denn jedes
Gefühl ist Begrenztheit, und hier wäre denn Gefühl einer wirklichen
Begrenztheit, aber einer idealen; dadurch würde die Tätigkeit in X
anschaubar - sie würde Objektives -, dass sie begrenztes Quantum ist.
Sonach wäre der Zustand
des Ich: Ich fühle mich begrenzt; aber das, in Rücksicht dessen ich
mich begrenzt fühle, ist eine wirkliche, aber ideale Tätigkeit. In
wiefern es Tätigkeit ist, kann ich es nur anschauen, in wiefern sie aber
beschränkt ist, fühle ich sie, dies gibt das //93// Gefühl Y; beide, X und Y, sind unzertrennlich verbunden, eins kann ohne das andre nicht sein.
Die Anschauung beider steht sonach in Wechselwirkung, eine ist nicht möglich ohne die andre. Die eben aufgestellte Wechselwirkung dauert immer fort, wird nur weiter bestimmt. Hier ist die oben unbeantwortete Frage beantwortet: Wie kann das Ich in der Anschauung sich selbst fühlen? Antwort: Indem es gezwungen, beschränkt ist.
Mit diesen Vorkenntnissen können wir tiefer in die Sache eingehen.
6. Wird die reale Tätigkeit der Ich beschränkt, so entsteht notwendig, da die ideale Tätigkeit immer bleibt, eine //94// Anschauung, vor der Hand nur die des Beschränkenden. Dieses ist sonach ein ganz bestimmter Zustand des Ich. Von ihm aus kann eine genetische Einsicht in das jetzt Gesagte gegeben werden.
An diesem Zustand soll eine Veränderung erfolgen, wie und woher wissen wir nicht, wir haben sie wirklich postuliert. Das Ich wird durch diese Veränderung in seiner Beschränkung beschränkt. Im ersten Zustand (voriger Paragraph) ist das Ich und ist es irgend etwas, es ist fixiert, gehalten; ein bestimmtes Streben in ihm, weil es beschränkt ist. Oder Tätigkeit ist in ihm negiert, welches der Charakter des Seins ist.
Dies dient nur der Veranschaulichung. Positiv und als Satz genommen wäre es dogmatisch und falsch.
Das Ich ist aber noch nichts für sich; es ist auf jenem Gesichtspunkte keine Reflexion des Ich auf sich selbst abgeleitet. Es wird sich finden, dass das Ich zu diesem Anschauenden ein Sein für sich haben wird. Dieses Sein ists nun, welches durch diese Veränderung beschränkt wird, durch B im Gegenstatze zu A, wo nur ein Streben beschränkt wurde. Das Sein des Ich ist das Beschränkte. Das Gefühl B als Gefühl überhaupt ist auch Beschränkung des Strebens, hat dies mit A gemein; aber wir abstrahieren hier davon und sehen nur darauf, dass es das Gefühl B ist, wir sehen nur auf die Veränderung.
Ein Sein ist nur für die ideale Tätigkeit. Nun geht auf alles Sein des Ich noch nicht die ideale Tätigkeit, insofern kann also das Sein und die ideale Tätigkeit nicht beschränkt sein, aber die ideale Tätigkeit geht in der Anschauung Y auf das Sein von Y; wird nun, wie es dem Erwiesenen nach geschehen muss, das Sein des Ich beschränkt, so würde das Sein im Anschauen des Y beschränkt, verändert.
*) Ideale Tätigkeit geht auf die Beschränkung einer realen Tätigkeit durch diesen Widerstand; insofern ist sie selbst beschränkt und bestimmt als diese.
Ein bestimmtes Quantum jener Beschränktheit gibt ein bestimmtes Quantum Anschauung. Wird der Grund be-//95//schränkt, so wird es auch das Begründete (Ich bin in der Anschauuung beschränkt heißt: Ich bin in der Vorstellung Y gebunden, das Mannigfaltige darin so zu ordnen und nicht anders; jede Bexchränktheit erregt ein Gefühl, sonach auch die Beschränktheit der idealen Tätigkeit in der Anschauung Y.)
Zuvörderst ist nur von der Beschränkung des praktischen Vermögens als Grund der Beschränkung gesprochen, denn es scheint sonderbar, dass die als unbeschränkbar aufgestellte [ideale] Tätigkeit beschränkt werde und aus ihr ein Gefühl erfolgen solle. Auf die Erfahrung darf man sich nicht berufen. In der Erfahrung findet Denkzwang statt, die Objekte so aufzufassen. Es müsste etwa so sein, dass die ideale Tätigkeit praktisch würde und mit Freiheit hervor- brächte, und insofern beschränkt würde; dies wird sich weiter unten zeigen, sonst fiele alles System zusammen.
Aus der Beschränktheit der idealen Tätigkeit wird entstehen ein neues Gefühl, aber aus dem Gefühl entsteht notwendig eine Anschauung. Dies wäre die Anschauung X, von der wir bisher gesprochen haben. Das Objekt dieser Anschauung X wäre das in dem oben beschriebenen Gefühl Begrenzte, und das ist das Ich selbst, seine ideale Tätig- keit.
Zuvörderst als Objekt der Anschauung ist das Ich ein Sein, es ist etwas. Die Begrenztheit des Ich ist im Zustande A. Das Ich ist in ihr sich selbst gegeben, es wird gefunden als Objekt. Das Anschauende in X ist die ideale Tätigkeit, welches auf dieses Sein geht.
Über die Verbindung des Fühlenden in diesem Gefühle mit der Anschauung oder über den Grund der Identität beider ist hier alles klar. Zufolge des bestimmten Gefühls entsteht eine bestimmte Anschauung, und nur mit der Anschauung entsteht das Objekt derselben und ist nicht von ihr zu trennen; das ist das Band.
Es geht wohl darum, wie (auch) die ideale Tätigkeit beschränkt werden und ein Gefühl zeitigen könne, das seinerseits zur Anschauung eines seienden Etwas, eines Objekts überginge. In concreto: darum, das Ich zu fühlen und als seiend anzuschauen. (Will er uns auf die intellektuelle Anschauung hinführen?)
Die ideale Tätigkeit soll selber 'praktisch werden': Dies wird sie, indem sie sich durch Freiheit selbst beschränkt, das können wir schon absehen. Aber das ist nicht das Problem. Damit eine neue Anschauung möglich wird, muss in der Anschauung der Anschauung (weil letztere nun begrenzt ist) ein Gefühl entstehen. Ein unsinnliches Gefühl? Und wieder schillert dieser Begriff: Kommt ihm eine (bisher nicht beleuchtete) Qualität zu, durch die die Anschauung der Anschauung mit dem schmerzenden Fuß, der gegen einen Widerstand gestoßen ist, zu einer Einheit synthetisiert wird? Davon kann ich bislang nichts erkennen.
Da das angeschaute Objekt Ich sein soll, so folgt daraus, dass sein Sein notwendig bestimmt ist im Setzen, durch ideale Tätigkeit eines Dinges Y; nur unter dieser Bedingung wird es angeschaut.
Das Resultat wäre dies: Aus der Veränderung erfolgt ein Gefühl derselben als eine Beschränkung der idealen Tätigkeit des Ich als eines solchen, in welcher das Ich überhaupt, und die Anschauung des Y als ein Akzidens des Ich vorkommt.
Ist kein Ich für das Ich, so ist kein NichtIch und kein Bewusstsein. Aber die Anschauung und der Begriff des Ich sind nicht möglich ohne Veränderung seines Gefühls: Wechsel des Gefühls ist sonach die Bedingung des Selbstbewusstseins und qualis talis schlechthin zu postulieren. Ein solcher Wechsel des Gefühl, den wir oben problematisch annahmen, muss also notwendig angenommen werden.
Hätte er gesagt, wenn eine Tätigkeit auf einen Widerstand stößt, dann entsteht ein XYZ, egal, ob sie real oder ideal gewesen ist - dann wäre das richtig gewesen, aber sinnlos. Denn XYZ bedeutet nicht etwas, nämlich nichts Bestimmtes, es ist nur ein leeres Zeichen. Er hat aber erst nur von der realen Tätigkeit gesprochen, und da war der Satz ohne weiteres einleuchtend, denn er hat statt XYZ das Wort benutzt, das die Deutschen für das lateinische sensus verwenden: Gefühl. Darunter kann man sich etwas vorstellen, das kann man anschauen, man hat ein 'Gefühl' dabei. Aber eben nur, wo von realer Tätigkeit die Rede ist, für die ideale Tätigkeit gilt das nicht.
Sagen Sie nicht: Wir sind hier überall nur in der Vorstellung, es geht nicht um meinen Fuß, der gegen einen Stein stößt, sondern um meine Vorstellungstätigkeit. Wenn eine wirkliche Vorstellung wirklich auf einen Widerstand stößt, dann stellt sie sich... etwas Wirkliches vor, das meine Tätigkeit zum Bestimmen herausfordert. Das gilt für reales Vorstellen, aber nicht für das Anschauen der Anschauung: Das ist bestimmt. Es hilft nix: Er will die ideale Tätigkeit im System der Sensibilität unterbringen, und das geht nicht ohne Gewalt.
Über die Veränderung im Gefühle. Die erste Beschränkung A (voriger Paragraph) ist eine ursprüngliche Beschränkung meiner Natur. Aus ihr allein folgt gar nichts, denn es folgt nicht einmal die Anschauung des Ich. Ich kann aber meine Natur durch freies Handeln ausdehnen, und dann möchte etwas folgen.
Aber ich kann nicht frei handeln, ehe ich für mich bin, wenigstens die Möglichkeit da ist, Ich sein zu können. Zu dieser Möglichkeit gehört, dass in meiner Natur eine Veränderung vorgehe, dass auf mich gewirkt, dass meine Natur affiziert werde. Die Anlage kann im Ich liegen, man braucht nicht aus ihm herauszugehen. Im gemeinen Bewusstsein muss sichs erklären durch das Vorhandensein von etwas außer mir.
B.
Die Beschränktheit der Anschauung Y, auf welche sich //97// unser bisheriges
Räsonnement gestützt hat, bedeutet den Denkzwang, ein Objekt gerade so
zu denken, in ihm findet Gefühl statt. Ich fühle mich innerlich gezwungen, die Dinge gerade so zu denken.
(In den Rückerinnerungen... tritt das 'intellektuelle Gefühl' als Bürge für meine Gewissheit ein; es ist 'Glaube' im Sinne von Evidenz. Fühle ich mich im Moment der Evidenz gezwungen, oder fühle ich mich vielmehr als siegreicher Entdecker? - Metaphorische Rede hat ihre Berechtigung, wo die Begriffe nicht hin reichen, weil die Vorstellungstätigkeit im vorbegrifflichen Raum (Metapher!) dargestellt werden soll. Aber dann darf man sie nicht als Argumente verwenden, so als ob sie Begriffe wären.)
Ich kann von ihnen abstrahieren oder ich kann sie auch anders denken, also findet kein Denkzwang statt. Aber dann stelle ich das Ding nicht der Wahrheit gemäß dar; aber soll meine Vorstellung dem Dinge gemäß sein, so findet Denkzwang statt. Aber was ist denn das für eine Wahrheit, an die meine Vorstellung gehalten werden soll?
Es ist die Frage nach der Realität, die wir der Vorstellung zu Grunde legen. Unser eigenes Sein in praktischer Hinsicht ist die Wahrheit, es ist das unmittelbar Bestimmte, wovon sich weiter kein Grund angeben lässt. Dieses unser eigenes Sein deuten wir durch ein Ding außer uns; dieses Ding außer uns ist seiner Wahrheit gemäß dargestellt, wenn es auf ein inneres Sein deutet. Aus einem Quantum Beschränktheit in mir folgt diese oder jene Beschränktheit außer mir.
Nota II.
Ich muss das Objekt so oder so vorstellen, wenn ich es richtig vorstellen will: Indem ich das sage, meine ich, ich könnte es auch nicht-richtig vorstellen wollen, und die Notwendigkeit meines Denkens ist nur bedingt und hängt ab von meiner Freiheit. Was ist dies für eine Freiheit und wo kommt sie vor?
Ich bin beschränkt in A; die ideale Tätigkeit, die aus dieser Beschränktheit hervorgeht, ist auch beschränkt. Diese beschränkte ideale Tätigkeit ist die Anschauung Y. Diese ist aber hier der Strenge nach nichts als eine von uns vorausgesetzte Idee, denn sie ist ja nicht für das Ich. Soll sie für das Ich etwas sein, so muss von neuem darauf reflektiert werden, das Ich muss von neuem sie setzen.
Man nehme an, diese neue Reflexion soll mit Freiheit geschehen.
Die praktische Tätigkeit lässt sich ganz unterdrücken, so dass gar keine mehr übrig wäre, sondern nur ein Streben nach ihr. Aber der Charakter dere idealen Teäigkeit ist, dass sie mir bleibe und nicht aufgehoben werden könne. Sie soll nur in //98// Y beschränkt sein, aber sie kann nicht aufgehoben werden; sie ist sonach nur zum Teil beschränkt und kann sich von dieser Beschränktheit losreißen; in der Anschauung Y ist die ideale Tätigkeit nur zum Teil beschränkt, sie kann sich losreißen mit Freiheit. Ob sie sich unbedingt losreißen müsse oder nicht, oder falls das letzte stattfinden sollte, unter welchen Bedingungen, werden wir sehen.
Das Ich soll gesetzt werden als das Anschauende, aber das Ich ist nur das Tätige und nichts anderes. Sonach muss die Anschauung als Produkt der freien Tätigkeit gesetzt werden, und nur dadurch wird sie es. Aber Tätigkeit lässt sich nach dem allgemeinen Gesetz der Anschauung nur setzen als ein Übergehen von Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Ich soll mich tätig setzen heißt, ich soll meiner Tätigkeit zusehen. Dies ist aber ein Übergehen vom Unbestimmten zum Bestimmten. Soll die Anschauung also als frei gedacht werden, so muss sie auch in demselben Moment gebundn gesetzt werden. Freiheit ist nichts ohne Gebundenheit et vice versa. Das Losreißen ist nicht möglich ohne etwas, wovon gerissen wird. Nur durch Gegensatz entsteht Bestimmtheit des Gesetzten.
Wie kann nun Freiheit und Beschränktheit der idealen Tätigkeit beisammen sein? So: Wird auf die Bestimmtheit des praktischen (realen) Ich reflektiert, so muss auch Y notwendig so gesetzt werden, also nur die Synthesis ist notwendig. Oder: Soll die Vorstellung wahr sein, so muss ich den Gegenstand so vorstellen, ob aber diese Synthesis vorgenommen werde, dies hängt von der Freiheit des Vorstellenden ab, welches [sic] in sofern keinem Zwange unterworfen ist.
Wir haben also jenes obige Resultat hier bestimmter und klärer so:
Ich bin beschränkt, zuvörderst praktisch. Diese Beschränkung ist wieder beschränkt durch die im Zustand des Gefühls vorgegangene Veränderung; auf diese kann ich reflektieren oder nicht. Diese Reflexion ist die bisher genannte Anschauung X. Reflektiere ich aber einmal, so kann ich mich nicht allein beschränkt setzen, sondern ich muss auch noch ein //99// Beschränkendes hinzudenken, dies ist die Anschauung Y. Reflektiere ich nicht, so bin ich für mich nicht da, und somit ist auch außer mir für mich nichts da. Indem ich nun den geschilderten freien Akt vollziehe, werde ich meiner unmittelbar bewusst. Mit jener Reflexion auf meinen Zustand und dem daraus folgenden Schlusse auf etwas außer mir ist eine Reflexion auf mich unmittelbar verknüpft, nicht in zwei besonderen Akten.
Auf die Anschauung Y soll ich reflektieren in X; soll diese Anschauung Y meine sein, so muss ich darauf reflektieren in Z, auf diese in einer Anschauung V. Dies ist nun wichtig: So gewiss eine freie Anschauung ist, so gewiss ist Anschauung des Ich mit verknüpft. Ich schaue mich an als anschauend; dadurch werde ich mir selbst Ich; dies kann nun nicht sein, ohne dass ich mich auch setze als gebunden, denn dadurch erhalte ich erst Haltbarkeit für mich, und so sieht man die Notwendigkeit ein, mit der Anschauung X die Anschauung Y zu verbinden. So erhält alles bisher Gesagte erst durch die Freiheit Verständlichkeit und Haltbarkeit: An die Freiheit nur lässt sich etwas anknüpfen.
Nota II.
Es ist auch gesprochen worden von einem Gefühle. Seine [des praktischen Ichs] Beschränktheit
wird mit Freiheit gesetzt, es wird auf sie reflektiert. Diese
Beschränktheit ist das Gefühl. Denn wenn ein Ich beschränkt wird, so
entsteht ein Gefühl, sonach hängt das Gefühl selbst mit ab von der
Freiheit; es ist kein Gefühl, wenn nicht mit Freiheit darauf reflektiert
wird. Ich muss dem Gefühle mich hingeben, sonst fühle ich nicht. Aus
dem Gefühle folgt freilich alles von selbst, aber dass nur ein Gefühl
entstehe, dazu gehört, dass das Ich sich gleichsam dem Gefühle
entgegenbewegen müsse, wenn ein Gefühl und ein Resultat desselben für das
Ich vorhanden sein soll.
Die ideale Tätigkeit,
die dem Ich zugeschrieben wird, die mit dem Bewusstsein der Freiheit
gesetzt wird, ist ein Begriff; sonach ist das, was wir bisher bloß als
Anschauung charakterisiert haben, ein Begriff, die Anschauung. Der
Charakter des Begriffs von der Anschauung wäre der: dass in der
Anschauung das Ich gesetzt werde als gebunden, im Begriff aber als frei.
Daher die Anschauung an sich nichts, oder, wie Kant sagt, //100// blind ist, der Begriff aber leer an sich, wenn sich das Ich nicht beschränkt findet durch die Anschauung.
Der
Vereinigungspunkt beider Anschauungen ist der: dass reine Gebundenheit
in der ersten Anschauung gesetzt werden kann, ohne dass ihr Freiheit
entgegengesetzt werde. Alle Freiheit kommt aber dem Ich zu, und
lediglich dadurch wird die letztere Anschauung [zur] An-//101//schauung
des Ich. Eine Anschauung aber mit Bewusstsein des Anschauenden heißt
Begriff. Sonach entsteht durch die postulierte Veränderung im System der
Gefühle der Begriff des Ich und des NichtIch.
Der Inhalt der gesamten Wissenschaftslehre lässt sich kurz in folgenden Worten vortragen:
Dass ich mir überhaupt etwas bewusst werden kann, davon liegt der Grund in mir, nicht in den Dingen. Ich bin mir Etwas bewusst;
das einzige Unmittelbare, dessen ich mir bewusst bin, bin ich selbst;
alles andre macht die Bedingungen meines Selbstbewusstseins aus.
Vermittelst des Selbstbewusstseins mache ich mir die Welt bewusst. -
Ich bin mir Objekt des Bewusstseins nur im Handeln. Wie ist die Erfahrung möglich? heißt: Wie kann ich mir meines Handelns bewusst werden? Auf die Beantwortung dieser Frage geht alles aus, und wenn sie beantwortet ist, so ist unser System geschlossen.
Bis jetzt haben wir
dies gefunden: Ich muss, wenn ich mich als handelnd setzen soll, mir
irgend eines Zweckbegriffs bewusst werden. Mit
der Beantwortung der Frage: Wie ist ein Zweckbegriff möglich?
beschäftigen wir uns noch. Bisher haben wir gesehen, wie ein Begriff
überhaupt möglich sei. Eigentlich ist von allem, was wir bisher
aufgestellt haben, nichts ganz möglich, bis wir zu Ende sind, denn wir
haben noch immer Bedingungen der Möglichkeit aufzustellen. Die
Möglichkeit des Einzelnen lässt sich nur aufzeigen, wenn die Möglichkeit
des Ganzen dargetan ist.
Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge-//102//wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.
Wir sind so verfahren:
Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus entsteht ein Gefühl;
ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch ideal. Die ideale
Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt Anschauung übrig. Gefühl
und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im Gefühle muss eine
Veränderung stattfinden, dies ist Bedingung des Bewusstseins. Ich bin in
der Beschränktheit beschränkt, werde also auch in der Anschauung Y
beschränkt. Aus jeder Beschränkung entsteht ein Gefühl, mithin müsste
auch hier ein Gefühl entstehen, das Gefühl des Denkzwangs, und mit
diesem [die]
Anschauung meiner selbst. Eine Anschauung, in der das Anschauende
selbst gesetzt wird, die auf das Anschauende bezogen wird, heißt ein
Begriff vom Dinge, hier von Y.
Es bleibt eine Ungereimtheit. Er sagte gelegentlich, er wolle gar nichts bewiesen haben, wenn man ihm auch nur einen einzigen Fehler in einer seiner Ableitungen nachweisen könnte. Da hat er natürlich den Mund zu voll genommen, aber der Gedanke liegt nahe: Wenn dass System ein solches sein soll, muss es lückenlos geschlossen sein. Bleibt der Trost: Dass in einer Darstellung des Systems ein Fehler vorkommt, bedeutet nicht, dass das System selbst einen Fehler hat.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen