Das Begreifen wird als frei gesetz heißt: Die Intelligenz setzt als geschehen könnend oder auch nicht, und zwar eine gewisses //111// Handeln
überhaupt (denn außerdem würde gar nichts gesetzt). Es wird sonach das
Handeln überhaupt gesetzt; gesetzt, dass es geschehen könne oder nicht,
welches letztere nicht möglich ist, ohne dass das erste überhaupt gesetzt sei.
Sonach ist dieses
Handeln überhaupt nicht für die Intelligenz außer als ein freies, ohne
dass es überhaupt für sie sei. Aber das Ich schaut sein bloßes Handeln
als ein solches an, als ein Linienziehen, sonach das unbestimmte
Vermögen dazu als den Raum.
1) Der Raum ist a priori, dies kann zweierlei bedeuten; teils lediglich durch das Vernunftgesetz, in dieser Rücksicht ist alles a priori außer das Gefühl und dessen Prädikate, teils ein vor aller Anschauung Gegebenes, ein bloß Bestimmbares, etwas, das die Anschauung erst möglich macht.
Beide Bedeutungen sind wohl zu vereinigen, Kant steht auf dem letzten Punkt. Der Raum geht nach ihm vor aller Erfahrung vorher, er ist die Bedingung derselben.
Auf den ersten Punkt hat sich neuerlich Herr Prof. Beck gestellt, er ist der, auf dem die erste Bearbeitung der Wissenschasftslehre steht.
Es ist sonderbar, dass sich über den Raum neuerlich ein solcher Streit erhoben hat wie über das Ding, ob das Ding gegeben oder hervorgebracht sei. Beide Parteien haben Recht, es ist bestimmbar und insofern gegeben; es ist durch die Gesetze der Vernunft notwendig und insofern hervorgebracht.
2) Der Raum ist die Form der äußeren Anschauung (a priori). Wie wir die Sache ansehen, würde das Bestimmbare bei aller Anschauung Form heißen; das, was, wenn eine Anschauung gesetzt wird, konstruiert [wird]. Sonach wäre das Bestimmbare der äußeren Anschauung die Form derselben. Wenn angeschaut wird, so wird der Raum angeschaut; dieser wird in der Anschauung gebildet, formiert, er formiert nicht.
Sachlich neu: Was an der Anschauung (=die ideale Tätigkeit, die auf das Gefühl geht, welches durch den Widerstand gegen die reale Tätigkeit hervorgebracht wurde) bestimmbar ist, ist ihre Form (das Was ist gegeben als Gefühl). Bestimmen ist Formgeben.
Wir wollen hier die Synthesis des Ganzen vorlegen.
Wenn dies nun so ist, so wird nicht nur, wie im vorigen Paragraphen das Objekt und wie im jetzigen der Raum, - sondern beide werden vorausgesetzt. Beide sind in demselben Akte das Bestimmbare in aller Vorstellung. Materie ist die Synthesis des Raums mit dem Objekte - so ists auch im Praktischen. Ich kann die Materie teilen, zusammensetzen, aber nicht wegschaffen, nicht vermehren, nicht vermindern; //113// wo wir hin denken, finden wir Raum, weil wir überall Materie denken.
Auf diesen Satz kommt es vorzüglich an. Wir sehen hier die Entstehung der ganzen Körperwelt, ja unserer gesamten, auch der Geisterwelt, denn es wird sich zeigen, dass unsere Geisterwelt nichts ist als eine Abstraktion von der Körperwelt.
Wir haben jetzt die Einsicht erhalten, wie uns die Welt entstehen müsse; wir brauchen keinen gegebenen Stoff vorauszusetzen. Alles Objektive, und das Objektive hebt von der Materie an, entsteht in uns; ich bin ursprünglich beschränkt, und diese Beschränktheit, wenn ich darauf reflektiere, ist das Gefühl. Das Gefühl lässt sich allenfalls für das Gegebene halten, allenfalls, denn es ist auch nur ein Gefühl, in wiefern ich darauf reflektiere.
Dieser Punkt ist in der Kantischen Darstellung nicht ganz richtig behandelt und hat Veranlassung zu einem System gegeben, wo zwar der Raum apriori sein soll, in welchen aber die Objekte aposteriori hineinkommen sollen.
Kant behauptet auch, dass die Objekte apriori im Raum sein sollen; er schließt aber indirekt. Der Raum ist ihm apriori, er ist ideal, sonach müssen auch die Objekte ideal sein: Kant wollte alles aus Begriffen dartun, drum wird auch seine transzendentale Ästhetik so kurz. Das geht aber nicht, das Vernunftwesen ist nicht nur begreifend, sondern auch anschauend. Er bewies seine Darstellung vom Raum durch Induktion. Kant sagt nicht, dass der Raum gegeben werde; er sagt, dass unseren sinnlichen Vorstellungen etwas zu Grunde liege; dass es Noumene gäbe; er hat sich nicht deutlich darüber erklärt. Er nennt es etwas, es ist aber nicht etwas, das Sein hat, sondern Handeln.
Er hat sich nicht auf das Schema für übersinnliche Gedanken eingelassen. Man kann das Übersinnliche nicht erkennen, aber da sie doch für uns da sind, so müssen sie sich doch erklären lassen: Das Schema für das Übersinnliche ist das Handeln.
'Übersinnliche Gedanken' sind solche, die sich auf nicht-sinnliche Gegenstände beziehen: auf Vorstellungen. Vorstellen ist - abgesehen von dem, was vorgestellt wird - Schema des Handelns. Noumena sind Schemata des Schemas des Handelns.
Der Raum wird vorausgesetzt, wenn ich mich in ihm als frei setzen soll. Die Sache der Freiheit ist, dass das durchs Gefühl Bestimmte gesetzt wird in jedem Ort, in welchem man will, wenn es vereinigt gesetzt wird; dass man es [als] in mehreren Orten seiend zerlegt, wenn es geteilt gesetzt wird. Die Synthesis des bestimmten Ortes mit der bestimmten Anschauung ist Sache der Freiheit, ihre Sache ist: das bestimmte Objekt, d. h. durch das Prädikat des Gefühls Bestimmte, zu setzen in welchen Raum sie will.
Der Raum ist leer, indem ich ihn durchgehe, ihn leere und etwas anderes hinein denke; die Dinge werden beweglich, weil ich sie and diesen oder jenen Ort setzen kann.
Man kann den Raum einteilen in einen absoluten und einen relativen. Der absolute ist unbeweglich. Der relative ist der bestimmte Ort, den ein Objekt einnimmt, dieser ist beweglich durch Freiheit.
Daraus wird folgen, dass die Freiheit des Handelns aus der Freiheit des Denkens hervorgehe.
Ich kann die Freiheit des Handelns nicht denken, ohne die Objekte schon zu haben. Ich bekomme den Raum mit den Objekten. Um die Handlung der Freiheit zu setzen, ein Objekt in einen beliebigen Raum zu setzen, muss das Objekt schon einen Raum haben, es erfüllt schon einen Raum, aber keinen Platz (keinen bestimmten Ort) im Raume. Es schwebt der Einbildungskraft nur vor.
Ich habe beides schon, es ist das Bestimmbare. Ich setze das Objekt in einen bestimmten Platz, das ist das Bestimmte, und denke mir, dass ich es auch anderswohin setzen könnte, wenn //115// ich es aber der Wahrheit nach bestimmen wolle, so müsse ich es an diesen bestimmten Platz setzen. Dies ist das Übergehen (alle Ortsbestimmung ist mittelbar und relativ.)
Ich kann kein Objekt haben außer durch Freiheit; das Objekt ist mir so geworden, weil ich es so gesetzt habe.
Ich setze das Objekt in einen bestimmten Ort; welcher Ort ist dies, wodurch wird er bestimmt? Alle Ortsbestimmung geschieht nur mittelbar und ist relativ. Ich setze das Objekt, A ist neben B, B ist neben C und so fort. Wie ist denn nun eine relative Ortbestimmung möglich?
Ich begreife wohl, wie ein zweites Objekt durch ein erstes, ein drittes durch ein zweites bestimmt sein könnte, aber im Ganzen sehe ich es doch auch nicht ein! Denn wo liegt das Ganze? Alle Ortsbestimmung ist subjektiv. Ich habe irgend einmal im Raume angefangen, diese Bestimmung ist absolut. Ich bin es, der diesen Ort zu diesem macht, außerdem hat er keine Bestimmung. Der erste Ort im Raume ist durch nichts bestimmt, als durch mein Tun.
(Dies dürfte wohl das leichteste Argument für die Idealität des Raumes sein, tiefer unten wird sich zeigen, dass dieser Ort bestimmt sei durch den Ort, den ich einnehme, und ich bin, wo ich bin.)
Da das Setzen des Objekts und das Setzen des Handelns im Ich notwendig vereinigt sind, so muss auch das erstere (Objekt) und das Schema des letzteren notwendig vereinigt sein. Aber Vereinigung des Objekts mit dem Raume ist Erfüllung desselben, alles Objekt wird sonach notwendig raumerfüllend, materiell.
Die Freiheit der Intelligenz besteht (äußert sich) in der Synthesis eines durch Gefühlsprädikate bestimmten Objekts mit einem durch absolute Spontaneität bestimmten Orte im Raum, und dadurch wird der Raum ein stetiger und er sowohl als die Materie teilbar ins Unendliche. Die Bestimmtheit derselben (Intelligenz), ohne welche die erstere (Freiheit) und ohne welche die erstere nicht möglich ist, besteht darin, dass das Objekt in einem Raum überhaupt gesetzt und der Raum mit Materie überhaupt angefüllt sein muss. Kein Raum ohne Materie et vice versa.
Dadurch ist Notwendigkeit, aber dass dieses Objekt nicht gerade in //116// diesem Raume sei und dieser Raum nicht gerade zu diesem Objekt gehöre, ist Freiheit.
- Ist jetzt der Raum "Schema des Handelns"? Das hatten wir bisher mit dieser Bestimmtheit noch nicht, lediglich: "Aber das Ich schaut sein bloßes Handeln als ein solches an, als ein Linienziehen, sonach das unbe- stimmte Vermögen dazu als den Raum." S. 111 Heißt das nicht die Metaphorik zu sehr strapazieren, wenn nun gleich der Raum selbst 'Schema des Handelns' wird? Wird er aus dieser Definition (!) Schlüsse ziehen, oder ist es bloß eine Stilblüte? (Doch schrieb mal einer: "Mathematik ist Konstruktionslehre. Mathematik ist das allgemeine operative Schema der möglichen Handlun gen in Raum und Zeit". Mathematik aber ist Analytik des Raums.)
Nota Bene. Es kommt aber in dem Buche vieles vor, wovon nach der gegenwärtigen Darstellung noch nicht die Rede sein kann, und dieser Paragraph muss daher mit Rücksicht auf die gegenwärtige Darstellung gelesen werden.
p. 93ff. ad 1) Der eigentliche Akt des Vorstellenden besteht in dem Hereinsetzen in den Raum, dieser ist aber immer erfüllt und ist kein leerer Raum außer im Herübergehen durch die Einbildungskraft.
ad 2) Anstatt Kraft, die sich äußert, würde jetzt gesagt werden müssen Materie, die aber nicht gesetzt werden kann außer im Raume. Die Materie ist teilbar ins Unendliche, also auch der Raum.
ad 3) Die Intensität kommt dem Gefühle zu, Extensität dem Raum. Durch jedes Gefühl werde ich geführt auf Materie, die ein Quantum ist und den Raum erfüllt. (Gefühl drückt eine Beziehung auf uns aus, Beziehung auf unsere Begriffe; denn nur, wieferen Gefühl gesetzt ist, ist eine Anschauung vorhanden.) Nur in wiefern Materie ein Quantum ist, ist sie anschaubar; sie ist nicht mathematischer Punkt, denn sie kann geteilt werden: Die Kontinuität des Raums und die unendliche Teilbarkeit der Materie müssen darum angenommen werden, weil sie Bedingungen der Freiheit sind.
ad 4) Die Gefühle sind bloß subjektiv; was rot, süß, bitter etc. ist, kann man nicht durch Begriffe mitteilen; denn Objekten kommt außer den Gefühlsprädikaten weiter nichts zu, als dass sie Materie im Raume sind.
ad 5) Man nehme ein Objekt und setze es in den Raum und frage: Wo ist es? Darauf gibt es keine Antwort, denn man hat keinen Punkt, wodurch man es bestimmen könnte, und doch gibt es eine solche Bestimmung; sie gründet sich darauf: Das erste Objekt wird gesetzt in einen absoluten Raum durch absolute Spontaneität. Das erste, das wir in den Raum setzen, ist durch nichts bestimmt als durch unser Denken.
//117// ad 6) Man stelle sich vor einen Beobachter. Wo ich mein Auge hin richte, da setze ich Raum voraus; wenn ich hinsehe, dass im Raume dort Objekt ist, ich nehme Objekt mit in den Raum hinein. [sic] Alles objektive Vorstellen besteht in Raumerfüllung.
Objekten kommt außer den Gefühlsprädikaten weiter nichts zu, als dass sie Materie im Raume sind.
Alle Ortsbestimmung ist nach dem vorigen Paragraphen bloß relativ, oder nur bestimmt durch den Ort des anderen Objekts. Woher nun diese erste Bestimmung? Die Bestimmung des ersten Objekts ist absolut. Das erste Ding, wodurch ich die andren bestimme, ist in dem Ort, worin ich es gesetzt habe.
Diese Behauptung ist noch unbestimmt und daher widersprechend, wir können sie aber nicht aufgeben, weil sie aus der vorhergegangenen hervorgegangen ist, und wenn sie nicht stattfindet, auch alles Vorhergehende nicht stattfindet; sie muss daher stattfinden und wir müssen die Bedingungen ihrer Möglichkeit aufstellen.
Dies ist bestimmt die Aufgabe dieses Paragraphen.
Im herkömmlich formalen Sinn von hinreichender Definition und korrektem Schlussverfahren 'folgt' nicht an dieser Stelle dieses aus jenem. Sondern wenn ich a sage, muss sich auch b sagen, sonst ist es, als wäre a ungesagt: Es ist die eine Vorstellung, die die andere möglich macht, aber wenn die nächste nicht vollzogen wird, bleibt sie selber so gut wie ungeschehen. Das Schema der materialen, 'genetischen' Logik des Vorstellens ist um-zu, nicht wenn-dann.
1) Das Geforderte ist aufgestelltermaßen unmöglich; der Ort, in dem das Objekt A ist, soll bestimmt sein durch mein Handeln, aber das einzige Handeln, das hier vorkommt oder das einzige Prädikat, welches bisher dem Ich zukonnt, ist das ideale Handeln, Anschauen, das Setzen eines Objektes in den Raum. Weil dies das Bestimmte sein soll, so kann es nicht das Bestimmende sein. Das Bestimmende, das, wodurch das Anschauende gesetzt wird als bestimmt, muss außer dem Anschauenden liegen, es muss das sein, worauf das Anschauende sich richtet.
Das sich selbst Bestimmende und Bestimmte ist das Ich. Das Anschauende soll Ich sein; aber im Anschauen kann es nicht das Bestimmende und Bestimmte sein; denn teils reden wir hier von der Anschauung [überhaupt -?], es ist aber der Charakter der Anschauung, dass sie etwas Gebundenes sei (dass sie ein Objekt habe), dass sie den Grund ihres Bestimmtseins in einem andren habe; //118// bei dem Anschauen kann von Absolutsein, von den Grund in sich selbst Haben nicht die Rede sein; teils ist hier nicht die Rede von der Anschauung überhaupt, sondern von der bestimmten Anschauung, die objektiv sein und der Wahrheit entsprechen soll; eine solche aber ist in jeder Rücksicht gebunden.
Woher kommts nun, dass wir genötigt sind, wenn wir ein Objekt der Wahrheit gemäß vorstellen wollen, es in diesen und keinen andren Ort im Raume zu stellen? (Es kann hier ununterschieden bleiben, ob es ein Objekt ist, das durch andre bestimmt wird, oder ob es das erste sei, das wir setzen.)
Objekten kommt außer den Gefühlsprädikaten weiter nichts zu, als dass sie Materie im Raume sind.
2. Wie wir in einem der letzten der vorigen Paragraphen gesehen haben, so ist Grund alles objektiven Denkens mein eigner Zustand. Nun soll das Denken eines Objekts objektiv sein, es muss sich daher auf meinen Zustand beziehen. (Der Wahrheit gemäß vorstellen heißt so vorstellen, dass mein Zustand daraus erklärt werde.) Die Ortsbestimmung ist ein objektives Denken, sie muss daher einen Zustand von mir erklären, und alle Ortsbestimmung muss von mir ausgehen.
Die Erfahrung sagt hierüber: Man ordnet die Dinge im Raume nach der geringern oder größern Entfernung und Lage von sich selbst, d. h. nach der geringern oder größern Kraftäußerung, deren man bedürfte, um sich selbst in den Ort zu versetzen, in dem das Objekt sich befindet (Der Raum lässt sich nur durch die Zeit messen und umgekehrt), und dann, ob es uns links oder rechts, vor- oder seitwärts liege. Diese Aussage der Erfahrung soll uns aber nicht als ein Beweis gelten.
Wenn alle Ortsbestimmung von mir ausgehen, alle Objekte im Raume durch mich bestimmt werden sollen, so muss ich selber aller Vorstellung vorher als ein alle Vorstellungen im Raume Bestimmendes im Raume sein. Ich müsste mir im Raume gegeben sein.
'Gefühl' wurde erfordert, damit etwas als Etwas angeschaut werden könne, angeschaut werden muss es, wenn darauf reflektiert werden soll; besser gesagt, das Anschauen ist das Reflektieren: das Fassen als Begriff.
Hier geht es um die Auffassung des wirklichen Ich als Zustand. Ein Gesamtzustand ist gemeint, in den alle Ge- fühle eingehen und auf den jedes einzelne Gefühl bezogen wird. Es ist aber nicht nötig, den Gesamtzustand nur als aus Gefühlen zusammengesetzt aufzufassen. Man bräuchte ihn nur etwas weiter zu definieren, um den 'Denkzwang' darin unterzubringen. Doch wozu könnte das gut sein? Das wäre eine metaphysische Frage einer am Rande stehenden höheren Intelligenz, die wissen will: "Woraus setzt sich der Gesamtzustand zusammen?" Hier war nur zu setzen, dass er ist; zu bestimmen, was er ist, hat die Transzendentalphilosophie nicht mehr.
Es ist vielmehr, wenn es nicht Sache der empirischen Psychologie ist, eine Sache der Hirnforschung.
Physiologisch, d. h. entweder am Ort oder an der individuellen Tätigkeitsweise der Neuronen, lässt sich dieses von jenem Merken gar nicht unterscheiden; die bildgebenden Verfahren erlauben nur, einen neuronalen Vorgang an dieser Stelle im Gehirn mit jenem Vorgang im übrigen Organismus zu korrelieren. Alles weitere ist Sache der Erfahrung und der Interpretation. In der Tat: Das Gehirn ist ein System, seine Wirklichkeit ist Zustand. Nur im Labor lässt sich Dieses von Jenem isolieren.
Fichte hat gut daran getan, sich auf dieses Terrain nicht zu begeben. Davon konnte er nichts wissen, und als Transzendentalsphilosoph musste er davon nicht wissen.
So etwas kennen wir schon. In dem besondren Gefühle wird nach dem Obigen ein System der Sensibilität überhaupt vorausgesetzt, durch die Beziehung auf welches das besondre Gefühl erst ein besonderes wird. Das System ist das Bestimmbare zum Besondren, welches in dieser Rücksicht das Bestimmte ist. Aber ein solches Gefühl ist das Gefühl der Begrenztheit, und jenes System [ist] das System der Begrenzbarkeit. Begrenztheit ist aber nichts ohne das Streben, und das Gefühl der Begrenzbarkeit ist auch nichts ohne Gefühl des Strebens überhaupt. So etwas muss gesetzt werden, wenn ein objektives Vorstellen zustande kommen soll, alles dies aber ist nur fürs Gefühl. So gewiss Anschauung sein soll, muss Gefühl sein.
Das fühlende und das anschauende Ich ist eins und dasselbe, beide Zustände sind notwendig vereinigt. Aber in wiefern das Ich sich als anschauend setzt, setzt es sich ganz als anschauend, und wiefern es sich als fühlend setzt, setzt es sich ganz als fühlend. Der unteilbare Zustand des Ich ist zweierlei, und darum kommt er in doppelter Rücksicht vor. Fühlen des Fühlens und Anschauen des Anschauens sind vereinigt. Darauf kommt alles an. Der Vereinigungspunkt liegt im Wesen der Tätigkeit des Ich.
Da steht es ja: Der Zustand des Ich ist die Vereinigung von Gefühl und Anschauung; Anschauung ist Reflexion, und in der Reflexion ist es, dass ein Denkzwang 'gemerkt' wird. Der Versuch, den Denkzwang vorab noch einmal extra ins Gefühl einzugemeinden, war ganz überflüssig.
Das Ich kann nicht ideal sein, ohne praktisch zu sein und umgekehrt; dadurch entsteht ein Doppeltes. Nun ist die Rede vom Ich, also es gibt ein Gefühl des Gefühls und ein Anschauen des Anschauens, und dadurch bekämen wir ein Vierfaches. Wir haben es zugleich mit dem Ich als Objekt des Anschauung zu tun. Die Form der Anschauung ist Raum und Materie. Das Ich wird sonach Materie im Raum, sofern es begrenzt und strebend ist.
Das Streben überhaupt als solches ist unendlich, es geht auf eine Kausalität ins Unendliche aus. Sonach muss der Raum unendlich sein. Dieses Streben ist absolut frei, es gibt gar keine mögliche Rücksicht, wo es sich nicht weiter bestimmen oder aufhalten könnte; dadurch wird der Raum und die Materie //120// teilbar bis unendlich. Dies wurde im vorigen Paragraphen nur aufgestellt als Resultat der Freiheit des Denkens; hier wird es höher auf die Freiheit des Strebens zurückgeführt.
Ist nun von meinem Streben, in wiefern es nicht Kausalität hat, mithin von Begrenztheit die Rede, so ist es ein geschlossnes gegrenztes Quantum. Aber auf diesem Punkt bin ich frei, es hängt von meiner Selbstbestimmung ab, meine Grenzen auszudehnen und meinem Streben Kausalität zu verschaffen. Der Raum, in dem ich sein soll, steht unter meiner Herrschaft; die Materie, die ich sein soll, und ihre Teile hängt [sic] von mir ab. Es ist mein Leib, inwiefern er artikuliert ist.
Ich muss allerdings annehmen, dass ich die Materie im Raume außer mir nicht nur teilbar denken, sondern auch wirklich teilen könne. Aber ich kann dies nicht unmittelbar durch den Willen, sondern ich muss erst durch Mittelzustände hindurchgehen.
Aber die Materie, worin durch den bloßen Willen etwas geschieht, ist mein Leib, in wiefern er artikuliert, nicht inwiefern er organisiert ist. (Es ist hier vom Leib die Rede, in wiefern ich durch ihn wahrnehme und wirke, in wiefern er Sinn ist und Organ; er ist das System meiner Gefühle, das Medium, durch welches Anschauung und Gefühl vereinigt wird. Zum Verdauen und Blutumlauf tut mein Wille nichts, aber mein Hand- oder Fußbewegen hängt von ihm ab.)
Also das System meiner Begrenzbarkeit und meines Strebens in der synthetische Vereinigung gedacht, wird mir zum artikulierten Leibe; dadurch wird Anschauung und Gefühl vereinigt, ich schaue mich an als fühlend, indem ich mich fühle als anschauend ein Objekt im Raume.
Ein Leib-Seele-Problem taucht hier nicht auf: Der Leib ist selber die Synthesis von (physiologischem) Fühlen und (intellektiven) Anschauen. Es ist es aber nur, wenn seine Ein-Heit als System begriffen wird.
Dann kann man auch nicht mehr auf die Schnapsidee verfallen, zwischen 'dem Hirn' und einem ominösen Extra-Ich zu unterscheiden. Mehr als dieses System bin 'ich' nicht, aber auch nicht weniger.
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