Dann sollen noch ausdrücklich und gründlich abgehandelt werden die Reflexionsgesetze in Vereinigung und Verbindung mit dem, was daraus entsteht. (Dieses Versprechen konnte wegen Mangel an Zeit nicht erfüllt werden.) Reflektieren heißt seine ideale Tätigkeit auf etwas richten; dies geschieht nur //11// nach gewissen Gesetzen, und dadurch wird das Objekt der Reflexion so und nicht anders.
Dozent
leitet in seinen Vorlesungen ein bestimmtes Denken, und wer nicht
mitdenkt, der erhält nichts; nur der, der mitdenkt, kann Nutzen haben.
Für die, die nicht selbst mitdenken, möchte er seinen Vortrag in
Arabisch machen.
§ 1.
In diesen Vorlesungen sollen die ersten und tiefsten Fundamente der Philosophie vorgetragen werden.
Philosophie ist nicht
eine Sammlung von Sätzen, die so gelernt werden, sondern sie ist eine
gewisse Ansicht der Dinge, eine besondere Denkart, die man in sich
hervorbringen muss. Wer noch nicht richtig angeben kann, wovon in der
Philosophie die Rede ist, der hat noch keinen rechten Begriff von
Philosophie.
Es ist, wie Kant sagt,
ein Vorteil für eine Wissenschaft, wenn man das, was sie zu leisten hat,
auf eine Formel bringt. Kant bringt das, was die Philosophie zu leisten
hat, auf die Aufgabe zurück: "Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?"
Dozent drückt die Frage so aus: Wie kommen wir dazu, anzunehmen, dass
den Vorstellungen in uns etwas außer uns entspreche? Beide Fragen heißen
dasselbe.
Ich
bin mir bewusst von der Vorstellung von irgend etwas, das weiß ich. Nun
behaupte ich: dieser Vorstellung entspricht ein Ding, das da sein
würde, wenn ich auch die Vorstellung davon nicht hätte. Nun ist aber der
Zusammenhang zwischen der Vorstellung und dem Dinge auch nur eine
Vorstellung auch in mir [sic].
Nun aber behaupten wir nicht nur, dass wir Vorstellungen haben, sondern
dass diesen Vorstellungen auch Dinge außer uns entsprächen. Sonach wäre
die Vorstellung von dem Zusammenhange beider eine notwendige Vorstel-//12//lung.
Also geht schon hier eine Verknüpfung vor; ob wir uns schon der
Handlung des Verknüpfens nicht bewusst sind, so ist es doch notwendig.
Dies Verfahren nämlich, dass ich von der Vorstellung zu der Vorstellung
übergehe, dass Dinge wirklich existierend da seien, ist notwendig; alle
Vernunftwesen verfahren so.
Also
gibt es in den denkenden Wesen notwendige Vorstellungen. Die
Philosophie fragt nun nach dem Grunde dieser notwendigen Vorstellungen
in der Intelligenz.
§ 2.
Nicht die Philosophie, sondern die Aufgabe, die Tendenz zur Philosophie geht aus von dem facto, dass
wir Bewusstsein haben. Unter den Bestimmungen und Zuständen unseres
Bewusstseins, die wir Vorstellungen nennen, sind einige begleitet vom
Gefühle der Notwendigkeit, andre hingegen hängen bloß von unserer
Willkür ab.
1) An diesem factum zweifelt
niemand; es kann keine Frage darüber entstehen, und wer da nach
Beweisen fragt, der weiß nicht, was er will. (Thiedemann in seinem
Theätet will beweisen, dass er Vorstellungen habe.)
2.
Bemerke man wohl, wie diese Tatsache gestellt ist; es ist behauptet
worden, es gibt Vorstellungen mit dem Gefühle der Notwendigkeit
begleitet, dass ihnen Dinge entsprechen; nicht, dass Dinge sind.
3.
An dieses unbezweifelt gewisse Faktum wird etwas anderes angeknüpft,
nämlich die Idee des Grundes. Nämlich der Philosoph fragt: Welches ist
der Grund der in mir mit dem Gefühle der Notwendigkeit vorkommenden
Vorstellungen? Dass es einen Grund gebe, wird als ausgemacht angenommen,
die Frage ist nur: Welches ist dieser Grund?
Schon
in der Aufgabe für die gesamte Philosophie ist eine Synthesis. Es wird
schon aus dem Faktum herausgegangen zum Grunde; wie komme ich nun dazu,
aus dem Faktum zu dem Grunde herauszugehen? Diese Frage ist wichtig;
denn solche Fragen aufzuwerfen und zu beantworten heißt philosophieren,
und da diese Frage der Philosophie zu Grunde liegt, würde //13// diese
Frage beantworten heißen: über die Philosophie philosophieren. Die
Frage nach der Möglichkeit der Philosophie fällt sonach selbst in die
Philosophie hinein. Die Philosophie beantwortet die Frage nach ihrer
eignen Möglichkeit. Sonach lässt sich die Möglichkeit der Philosophie
nur in einem Zirkel beweisen, oder sie bedarf keines Beweises und ist
schlechthin und absolut möglich.
- Die Philosophie beginnt 'synthetisch'. Als lediglich analytisch mag man das 'gemeine' Normalbewusstsein auffassen, es sieht etwas und fragt nur was? und allenfalls wie? Die Frage warum? dagegen setzt voraus, dass etwas 'da' sein könnte, das man nicht sieht; besser gesagt, um sie stellen zu können, muss man es selbst voraus-gesetzt haben. Doch wie käme man dazu?
Man sucht nur den Grund von zufälligen Dingen. Die Philosophie überhaupt sucht den Grund von notwendigen Vorstellungen; diese müssen also als zufällig gedacht werden.
Es wäre Unsinn, nach dem Grund eines Dinges zu fragen, das ich nicht für zufällig hielte. Ich halte etwas für zufällig heißt: Ich könnte denken, dass es gar nicht oder dass es ganz anders wäre. So sind die Vorstellungen vom ganzen Weltsystem; wir denken uns die Erde füglich als anders sein könnend, und uns selbst können wir auf einen andren Planeten versetzt denken. Ob wir ohne solche Vorstellungen sein könnten, belehrt uns die Philosophie; aber dass wir das Weltsystem für zufällig halten, ist gewiss, denn nur darum können wir nach einem Grund fragen.
Dieses Faktum enthält die ganze Erfahrung; aus dieser geht man heraus, mithin auch aus der gesamten Erfahrung heraus, und dies ist Philosophie und nichts anderes.
- Der gesunde Menschenverstand sieht das ganz anders. Was zufällig geschieht, scheint ihm nicht hinreichend begründet, und was hinreichend begründet ist, kann eigentlich gar nicht anders sein. - Doch der gesunde Menschenverstand ist ein Metaphysiker, für ihn sind logische Gründe und reelle Ursachen dasselbe. Aber notwendig ist nur das Logische, alles Faktische ist nur mehr oder minder wahrscheinlich, und also mehr oder minder kontingent. Für das metaphysische Denken sind indessen beides 'Kräfte' aus einem 'Stoff', denen ein und dieselbe Substanz 'zu Grunde liegt'. Und die stellen sie sich unweigerlich als einen Schöpfer vor - der selber aber 'ganz anders' hätte schöpfen können!
Der
Grund liegt nicht innerhalb des Begründeten, mithin außerhalb der
Erfahrung, und die Philosophie, die den Grund der Erfahrung aufstellt,
erhebt sich über dieselbe. Physik ist der Umkreis der Erfahrung; die
Philosophie, die sich drüber erhebt, ist also Metaphysik. In der
Philosophie kommt kein Faktum, keine Erfahrung vor. Dieser Satz findet
in der neueren Zeit Widerspruch, wo man von Philosophie aus Tatsachen
spricht. Die Philosophie und alles, was in ihr vorkommt, ist Produkt des
reinen Denkvermögens; sie ist nicht selbst Faktum, sondern sie soll das
Faktum, die Erfahrung, begründen.
//14// Wenn
die Philosophen, die sich auf Tatsachen berufen, Kantianer sein wollen,
so ist dies doppelt schlimm, denn Kant sagt: "er frage nach der
Möglichkeit der Erfahrung".* Wenn ich aber nach der Möglichkeit einer
Sache frage, so ist mir zwar die Sache bekannt, aber der Grund der
Möglichkeit dieser Sache liegt außerhalb der Sache selbst. Also schon in
Kants Buchstaben liegt, dass die Philosophie sich über die Erfahrung
erheben soll.
Die
Frage, wie man dazu komme, sich über die Erfahrung zur Philosophie zu
erheben, nahm das ganze Recht zu philosophieren, d. h. das ganze
Verstehen der Vernunft in Anspruch, zufolge dessen man von dem
Zufälligen einen Grund suchen muss. In der Philosophie soll gezeigt
werden, wie man dazu komme, mithin ist sie ein Selbstbegründen.
Also
die erste und höchste Bedingung alles Philosophierens ist, zu
bedenken, dass man das lautere leere Nichts antreffe, wenn man nicht
alles das, worüber räsonniert wird, aus sich selber hervorbringt.
Philosophische Ideen können nur im Geiste erzeugt werden, geben kann man
sie nicht.
*) z. B. KrV, B 195
- Wenn aber Begriffe ohne Anschauung blind sind und der Grund der Erfahrung begriffen werden soll, so muss der Grund der Erfahrung angeschaut werden; in einer Anschauung also, die selber nicht Erfahrung, nämlich nicht sinnlich ist. Bleibt wohl nur eine intellektuelle Anschauung übrig.
Der Dogmatiker nimmt
Dinge an sich an, diese und ihre Existenz postuliert er, denn sie liegen
nicht im Faktum meines Bewusstseins. Kein Dogmatiker behauptet, er sei
sich der Dinge an sich unmittelbar bewusst. Er behauptet nur, man könne,
was Tatsache des Bewusstseins sei, nicht anders erklären, wenn man
nicht die Dinge an sich voraussetze. Die alten Dogmatiker oder auch die
kritischen Dogmatiker, die sich noch Stoff geben lassen, scheinen das
nicht bedacht zu haben, denn sie eifern über das Herausgehen aus dem
Bewusstsein, das sie doch selbst tun.
Der
Idealist erklärt die Vorstellung aus einem vorauszusetzenden
Vorstellenden. Dies ist auch nicht unmittelbar Objekt des Bewusstseins.
Im gewöhnlichen Bewusstsein kommen immer Vorstellungen von Dingen außer
uns vor. Soll eine Vorstellung vom Vorstellenden vorkommen, muss sie
erst durch Reflexion auf sich selbst hervorgebracht werden. Ich //15//
bin mir nur des Bewusstseins bewusst und der Bestimmungen des
Bewusstseins; auch diese sind Vorstellungen. Im Bewusstsein kann eine
Vorstellung vom vorstellenden Subjekt vorkommen, nicht aber das Subjekt
selbst. -
Also Idealismus und
Dogmatismus gehen aus dem Bewusstsein heraus. Der Dogmatiker geht aus
vom Mangel der Freiheit und endigt auch damit. Die Vorstellungen sind
ihm Produkte der Dinge, die Intelligenz oder das Subjekt ist ihm bloß
leidend. Auch die Freiheit des Handelns geht verloren, und ein
Dogmatiker, der Freiheit des Willens annimmt, ist entweder inkonsequent
oder er heuchelt, denn dass ich frei handle, geht auch durch die
Vorstellung hindurch; nun aber sind [für ihn] die Vorstellungen Eindrücke von Dingen, folglich hängt auch die Vorstellung von der Freiheit des Handelns von dem Dinge ab.
Von der Spekulation aus
ist dem Dogmatiker nicht beizukommen, denn alle Prinzipien, durch die
man ihn widerlegen könnte, weist er von der Hand. Man muss ihn von den
Prinzipien aus widerlegen, von denen er ausgeht.
Der Idealist geht aus
von dem Bewusstsein der Freiheit, der Dogmatiker erklärt diese für eine
Täuschung. Alles, was man gegen ihn einwenden könnte und was der
Idealist vor ihm voraus hätte, wäre das: dass der Dogmatiker nicht alles
erklärt, was erklärt werden sollte; dass er unbestimmt ist, denn das
Bewusstsein der Freiheit kann er nicht leugnen, er muss es erklären
durch eine Einwirkung der Dinge, welches unmöglich ist. Ferner kann er
nicht deutlich machen, was für ein Wesen das sein möge, auf welches jede
Einwirkung eine Vorstellung hervorbringt. Er kann die Intelligenz nicht
genetisch erklären, wohl ab er der Idealist.
Von Seiten der Spekulation lässt sich also mit dem Dogmatiker nichts anfangen, wohl aber von Seiten des innigsten Gefühls. Er [sic]
ist den edelsten und besten Seelen unerträglich, welche der Gedanke des
Selbstständigkeit und Freiheit das Höchste und Erste ist. -
//16// Das
Menschengeschlecht und das Individuum gehen aus von der Gebundenheit.
Wir alle gehen von der Erfahrung aus, werden aber in uns zurückgetrieben
und finden unsere Freiheit; es kommt darauf an, welches Gefühl bei dem
Menschen das hervorstechende ist, das lässt er sich nicht nehmen. -
Der
Streit des Dogmatismus und Idealismus ist eigentlich kein
philosophischer, denn beide kommen nie auf einem Feld zusammen, denn
jedes, wenn es konsequent ist, leugnet die Prinzipien des andern.
Ein philosophischer Streit kann nur dann entstehen, wenn beide Parteien
über die Prinzipien einig, aber bloß über die Folgen uneinig sind. Es
ist ein Widerstreit der Denkart, der konsequente Dogmatiker ist sein
Gegenmittel, er kann diese Denkart in die Länge nicht ertragen.
- Zunächst einmal: Hier haben wir schon das "intellektuelle Gefühl", das später in den Rückerinnerun-gen... wieder auftauchen soll. Denn von allem, was wir sinnlich 'fühlen', empfinden wir uns gebunden. Aber er hat ja Recht: Neben diesem und gegen dieses Gefühl ist im Bewusstsein das Gefühl der Freiheit (wenn auch erst nur als ein Wollen-an-sich), und das ist ein intellektuelles. (Sein genetisches Vis-à-vis ist der Zweck-an-sich, die Idee des Absoluten, aber die Kurve wird Fichte nicht mehr kriegen.) Das ist der ("aufgefundene") Grund der Wissenschaftslehre. Wer ihn nicht teilt, mit dem kann sie nicht philosophisch streiten, sie kann nur 'meta-philosophisch' und praktisch mit ihm ringen.
§ 4.
Des Dogmatikers
Voraussetzung ist ein bloßes Denken; eine Voraussetzung, die nicht zu
rechtfertigen sein wird, weil sie ja nicht erklärt, was erklärt werden
soll. Sobald ein andres System auftritt, das alles erklärt, kann sie
nicht lange statt haben.
Der Idealist sagt:
Denke dich und gib acht, wie du dich denkst; du wirst eine in sich
zurückgehende Tätigkeit finden. Der Idealist legt etwas wirklich im
Bewusstsein Vorkommendes zu Grunde, der Dogmatiker aber etwas außer
allem Bewusstsein zu Denkendes.
Man könnte sagen:
Alles, was der Idealist fordert, ist doch nur eine Vorstellung von
meiner in mich zurückgehenden Tätigkeit, aber doch keine zurückgehende
Tätigkeit an sich außer der Vorstellung? Respondeo: Von weiter ist auch nichts [sic] die
Rede! als dass diese Vorstellung vorkomme, eine Unterscheidung zwischen
einer in sich zurückgehenden Tätigkeit und einer Vorstellung von ihr
wäre nichtig. Denn eine Tätigkeit des Vorstellens außer dem Vorstellen
wäre ein Widerspruch. Alle tätige Substanz als Substanz soll abgehandelt
werden, die Philosophie muss zeigen, woher das Substrat komme, wo es statt findet; es ist nur die Rede von einem unmittelbaren Setzen des Ich, dieses ist eine Vorstellung.
//17//
Das Prinzip des Idealisten kommt im Bewusstsein vor, darum heißt auch
seine Philosophie immanent. Er findet sein Prinzip aber nicht von selbst
in dem Bewusstsein, sondern zu folge eines freien Handelns. Wenn man
den Gang des gewöhnliche Bewusstsein fortgeht, so liegt darin kein
Begriff vom Ich, keine in sich zurückgehende Tätigkeit. Aber man kann
sein Ich denken, wenn man vom Philosophen dazu aufgefordert ist; man
findet es dann durch ein freies Handeln, aber nicht als etwas Gegebenes.
Jede Philosophie setzt
etwas voraus, erweist etwas nicht, und erklärt aus diesem alles andre,
auch der Idealismus. Dieser setzt die erwähnte freie Tätigkeit voraus
als Prinzip, aus welchem alles erklärt werden muss, das aber selbst
nicht erklärt werden kann.
Unser Wissen findet in unserm Bewusstsein statt; beides sind Wechselbegriffe. In unserm Bewusstsein kommen nur Vorstellungen vor. Wenn unser Wissen nach seinen Voraussetzungen fragt, fragt es nach sich selbst. Transzendentalphilosophie kann aus diesem Rahmen nie hinaus, sie ist immanent.
Der Dogmatismus ist transzendent, überfliegend, aus dem Bewusstsein hinausgehend, der Idealismus ist transzendental, er bleibt innerhalb des Bewusstseins, zeigt aber, wie ein Herausgehen möglich ist; oder, wie wir zu der Annahme kommen, dass den Vorstellungen Dinge außer uns entsprechen. Ob man es nun damit bewenden lassen werde oder nicht, kommt auf die innere Denkart und den Glauben an sich an, wer den hat, der kann Dogmatismus und Fatalismus nicht annehmen.
- Die Wissenschaftslehre ist Begriff und Schema der Vernunft. Vernunft ist nicht an sich; sie 'hat ein Interesse': das Interesse an Freiheit und Selbstständigkeit. Was eigentlich 'erst' Ergebnis der praktischen Philosophie wäre, ist hier der Philosophie als ihr Motiv bereits vorausgesetzt; die Wissenschaftslehre ist eine Anthropologie.
Wird dem Idealismus einmal die Wahrheit seines Satzes, und zwar als Prinzip, zugegeben, so kann er streng alles davon //18// ableiten, was im Bewusstsein vorkommt. Ob es ihm aber jemand zugebe, das hängt ab von der Denkart des Jemand.
Man sagt, ich habe Bewusstsein, als wenn das Bewusstsein ein Akzidens des
Ich wäre. Dies ist eine Absonderung, die erst spät geschieht und wovon
die Philosophie den Grund angeben muss. Es ist wahr, ich muss mir noch
andere Bestimmungen oder Prädikate zuschreiben, als Bewusstsein; aber
alle Handlungen des Ich müssen durch das Bewusstsein hindurch. Alles,
was für uns sein soll, ist doch nur ein Bewusstsein.
Auf
den ersten Blick ist es richtig, wenn man sagt: mein Bewusstsein ist
Ich und Ich bin mein Bewusstsein. Im Bewusstsein kommen zwar
Vorstellungen mit dem Gefühle der Notwendigkeit vor, oder das
Vorstellende ist ein Bewusstsein dessen, was mit dem Gefühle der
Notwendigkeit da ist. Nun aber ist das Vorstellende, was es auch immer
sein mag, durch Selbsttätigkeit; also auch diese Vorstellungen sind
Produkte der Selbsttätigkeit.
Man
darf nicht denken, dass das Ich durch etwas Anderes bewusst werde. Das
Ich ist nichts als seine Tätigkeit. Das vorstellende Selbst ist seine
Selbsttätigkeit, diese ist sein Wesen, und eine gewisse bestimmte
Selbsttätigkeit ist in der und der Lage sein Wesen. Das Ich setzt sich
selbst heißt: Es ist eine in sich selbst zurückgehende Tätigkeit. Wer
nicht von allem Objekte abstrahieren kann, der ist zum gründlichen
Philosophieren unfähig. Weiter unten wird sichs finden, dass man ein
Substrat hinzudenken müsse, aber bis dahin muss man davon abstrahieren.
Da
nun alles, was das Vorstellenden sein soll, nur durch Selbsttätigkeit
sein soll, sind auch die Vorstellungen, die mit dem Gefühle der
Notwendigkeit vorkommen, seine Produkte.
Da steht nicht: Alles, was ein Mensch tut, tut er mit Bewusstsein; sondern: Nur, was einer mit Bewusstsein tut, ist seinem Ich zuzurechnen. 'Richtig' kann einer aus tausend Gründen handeln, auch aus Neigung oder Zufall und ohne alles Bewusstsein. Vernünftig handeln kann er nur bewusst, und nur in dieser Hinsicht ist er ein Ich. .
§ 6
Dieser Beweis würde völlig hinreichen zu einer kategorischen Behauptung, um das Dass zu erklären, aber nicht zu einer bestimmten Einsicht in das Wie. Zu
einer solchen Erklärung würde gehören, dass der ganze Akt des
postulierten Hervorbringens der Vorstellungen dargestellt würde. Soll
der Idealismus Wissenschaft sein, so muss er dies leisten können. Jetzt
wird im Voraus drüber nachgedacht, auf welche Weise der Idealismus diese
Forderung erbringen könne.
Zuvörderst ist in der
Philosophie die Rede von den mit dem Gefühl der Notwendigkeit
begleiteten Vorstellungen. Da diese nun nicht, wie im Dogmatismus, durch
ein Leiden, sondern aus einem Handeln der Freiheit erklärt werden soll [sic], so würde dies ein notwendiges Handeln sein müssen, denn sonst würde es zu nichts helfen.
Anfangs zweifelt man,
ob diese Vorstellungen Produkte einer Selbsttätigkeit sind, weil man
sich dieser Tätigkeit nicht bewusst ist. Wenn die meisten Menschen von
Tätigkeit, von Handeln hören, so verstehen sie darunter ein freies
Handeln; aber es kann auch ein notwendiges Handeln geben. Ist aber ein
notwendiges Handeln noch ein Handeln und nicht vielmehr ein Leiden zu
nennen?
(Der
echte Dogmatiker, der zugleich Fatalist sein muss, kann das Bewusstsein
der Freiheit nicht leugnen, sondern er erklärt es für Täuschung. Das
Handeln erfolgt erst zu Folge eines äußern Einwirkens. Vide Alexander
von Joch (Hummel) über Belohnungen und Strafen in türkischen Gesetzen.)
Das notwendige Handeln
ist nur unter der Bedingung eines freien Handelns notwendig, aber nicht
überhaupt notwendig, sonst wäre es mit Leiden einerlei. Das erste
absolut freie, unbedingte Handeln ist das Setzen des Ich durch sich
selbst; aus diesem könnte ein anderes notwendig folgen, von dem man
sagen könnte, es sei notwendig, aber freilich nicht absolut, sondern
bedingt.
Wenn ich dies tun will, dann muss ich es so machen. Die Freiheit liegt in der Zwecksetzung. In der Ausführung muss ich dem widerständigen toten Sein und dem freien Wollen der anderen vernünftigen Wesen Rechnung tragen.
So verhält es sich schon mit dem Prinzip, und so könntet es wohl kommen, dass wir auf eine Reihe notwendiger Handlungen stießen, welche bedingt würden durch das Setzen des Ich, und so würde der Satz, das Ich ist, was es ist, durch //20// sich selbst, der vorher nur formale Bedingungen hatte, materiale Gültigkeit bekommen.
Das Ich ist, was es ist, darum, weil es sich durch sich selbst setzt. Das Selbstsetzen ist nur auf eine gewisse Art möglich, dies setzt, diese setzt eine andere voraus, diese wieder eine andere usw..
Die Wissenschaftslehre sei 'bloße Logik', schrieb Kant in seiner berüchtigten Erklärung gegen Fichte anlässlich des Atheismusstreits. Das ist mehr falsch als wahr, denn sie ist keine Logik der gesetzten Begriffe und notwendigen Schlüsse, sondern eine Genetik des bedingt-notwendigen Vorstellens. Bloße Logik ist das nicht. Es ist nicht nur Verfahren, sondern hat Gehalt; es hat Blut, Fleisch und Knochen.
Alles Geistige wird durch sinnliche Ausdrücke bezeichnet, daher kommen viele Missverständnisse. Denn die Zeichen sind oft willkürlich, und drum muss erst, wenn man ein Zeichen gebraucht, eine Erklärung gegeben werden. Wenn man eine Erklärung geben soll, wo das Wort fehlt, da muss man die Sache selbst, d. h. man muss genetisch erklären. Ich setze mich, und indem ich dies tue, bemerke ich, ich tue es auf eine gewisse Art und kann es nur so tun. Nun kann es kommen, dass ich auch vieles andere nur so tun kann, und das heißt ein Gesetz. Man spricht daher von Gesetzen des Anschauens, des Denkens usw.. Dieses notwendige Denken sind Denkgesetze. Gesetze sind eigentlich nur für ein handelndes Wesen; dies sehen wir für gewöhnlich als frei an, denn sagen wir: du musst so oder so verfahren, so sagt man nach der Analogie: Das Vernunftwesen muss so oder so verfahren, und dies sind seine Gesetze.
Die weitere Aufgabe für den Idealismus müsste also sein: Wir sind zu der Einsicht gekommen, dass das Setzende und das Gesetzte dasselbe sind. Ich kann das Ich nur auf eine gewisse Weise setzen, aber dies kann ich nicht, ohne auch ein zweites zu setzen, und dies nicht ohne ein drittes, und so könnte es kommen, dass wir alle die Gesetze, zufolge denen die Welt für uns zu Stande kommt, von dem ersten ableiten könnten. Dies müsste der Idealismus nachweisen.
Das griechische poiein haben die lateinischen Autoren mit ponere übersetzt, und das wurde im Deutschen zu setzen. Satz, Satzung, Gesetz - überall steckt dieselbe Vorstellung drin. Doch für die Vorstellung selbst gibt es kein Wort. Die Analogie zu einem sinnlichen Vorgang muss ausreichen, und tut es in den meisten Fällen. Doch eine Metapher ist kein Begriff. Man kann daraus nicht konstruieren und konkludieren. Wenn es vorangehen soll, muss immer das lebendige Vorstellen neu bemüht werden. Das nennt Fichte die genetische Darstellungsweise.
§ 7
Die
meisten Idealisten vor Kant sagten, die Vorstellungen sind in uns, weil
wir sie in uns hervorbringen; sie verstanden es so: Wir können diese hervorbringen oder nicht. Dies ist ein grundloser Idealismus.
Es lassen sich zwei Wege denken, die das Räsonnement leiten, //21// entweder
man geht aus von der uns bekannten Beschaffenheit der Welt oder den
notwendigen Vorstellungen, die im Bewusstsein vorkommen: Dies ist ein
bloßes Herumtappen und Probieren; man lässt sich immer das Resultat vor
Augen schweben. Dies taugt nicht.
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