Im vorigen Paragraphen ist vom Begriff der Zeit geredet worden, dieser soll hier erklärt werden.
Die Aufgabe, die bei der Auflösung der Zeit entsteht, ist die: das Mannigfaltige des Gefühls zu vereinigen. Diese Vereinigung geschieht so, dass das Mannigfaltige abgeleitet werde von der Willensbestimmung und auf sie bezogen werde.
Aber die Gefühle erscheinen doch als etwas Mannigfaltiges, Diskretes, welches in eine Zeit oder in eine Zeitreihe fällt, in welcher das Gefühl und das Gefühlte folgen sollen. Und so entstünden zwei Zeiten: eine Zeit an sich, und eine Zeit, in welcher das Mannigfaltige folgen sollte. Die Gefühle fallen schon von sich in die Zeit, und hernach nimmt man sie in die Zeit auf. -
Wir müssen die Sache scharf nehmen, um diese zwei Zeiten zu vermeiden.
Ich bin überhaupt beschränkt, diese Beschränktheit macht mein Wesen aus (meinen Einen und ungeteilten Zustand in alle Ewigkeit, wenn Ewigkeit heißt: Negation der Zeit) und über diese darf nicht weiter gefragt werden, dies ist meine erste Beschränktheit. Nun wird aber von einer Veränderung der Beschränktheit geredet. Ich bin beschränkt im Auffassen meines Zustandes, dass ich nur diskrete Quanta auffassen kann, über diese Beschränktheit kann ebenfalls nicht weiter gefragt werden, z. B. ich kann nur durch die fünf Sinne auffassen, und mit jedem Sinn nur, was ihm zukommt. Dies ist die Beschränktheit im Auffassen meines Zustandes (Mein ganzes Bewusstsein ist nur ein Nach-und-Nach-Entstehen und An- //136//bauen, es ist nur eine Analyse dessen, was schon da ist, so gewiss ich da bin). (Ist einmal das Auffasssen nicht möglich, so entsteht ein Staunen, welches der Grund des Erhabenen ist.)
Der Grund, dass ich nur diskrete Größen auffassen kann, liegt ganz in mir. Man kann nur sagen: So ist es, so finden wir uns, a priori kann der Philosoph nichts hierüber ausmachen. Er kann nur sagen: Wenn es nicht so wäre, so könnte ich kein Bewusstsein setzen.
Von den diskreten Auseinanderliegenden hängt der Begriff der Zeit ab.Wenn ich aber ein Einzelnes, wieder eins und so fort auffasse, so entsteht für mich noch kein Mannigfaltiges; denn ich bin für mich nicht eins; ich denke x, y, z. Dann bin ich erst x, dann y, dann z. So wenig nun x, y, z ein Gemeinschaftliches haben, so wenig hat das Bewusstsein von x, y, z Gemeinschaft.
Soll das Mannigfaltige dem Denken erscheinen als eine Reihe, so muss ganz Dasselbe mit dem mannigfaltigen Denken vereinigt sein durch alles Denken. In allem Denken muss das Eine vorkommen, ohne dasselbe muss kein Denken möglich sein. Dies ist nun die im vorigen Pragraphen beschriebene intellektuelle Anschauung des Wollens. Diese wird durch das ganze diskurive Denken hindurch wiederholt, diese ists, die in allen Momenten hindurchgedacht wird, hierauf gründet sich die Lehre vom Gedächtnisse. Ich sehe mich selbst in die Zeit hinein, ich bin nicht in der Zeit, inwieferen ich mich intellektualiter anschaue als mich selbst bestimmend.
Eigentlich ist die intellektuelle Anschauung nur Eine und in keiner Zeit, nur durchs diskursive Denken wird sie geteilt und fällt in die Zeit. Ich schaue mich an als wollend, da ist keine Zeit, kein vor oder nach; nur das Bedingte fällt in die Zeit; mein Wollen aber ist durch nichts bedingt.
Alles Denken ist in der Zeit; bei allem Denken dauert die Anschauung des Willens fort. Dieser Ausdruck ist nicht adäquat, aber er würde so [sic]: Indem ich die Anschauung auf das Mannigfaltige des Wollens beziehe, wird sie dauernd. Nur in dieser Rücksicht kann die Zeit Form der Anschauung heißen: Sie ist Form der intellektuellen Anschauung, die aber dadurch, dass sie in die Zeit aufgenommen wird, versinnlicht wird. Die Zeit ist also das Mittelglied zwischen dem Intelli-//137//giblen und Sinnlichen.
Wir bekommen sonach dreierlei Anschauungen:
a) sinnliche im Raum,
b) intelligible unseres Wollens,
c) solche, in welchem beides vereinigt ist, die Anschauung unseres Wollens in der Zeit.
Wir sehen jetzt klarer, was durch die Behauptung der intellektuellen Anschauung eigentlich behauptet wird. Es wir nicht behauptet, es könne ein Mensch bloß in der intellektuellen Anschauung sein. Der Mensch und jedes andere endlich Vernunftwesen ist sinnlich und in der Zeit. Die intellektuelle Anschauung ist das in allem Denken Bestimmbare, und muss gedacht werden als Grundlage alles Denkens. Sie lässt sich nur durch den Philosophen absondern, nicht aber im gemeinen Bewusstsein.
Was heißt: sich denken, sich etwas denken? Die Art, wodurch die Noumene zu Stande kommen, ist das 'sich denken'? Das Intelligible in das Sinnliche hineinsetzen als Vereinigungsgrund heißt: sich etwas denken. Das bloß Gedachte ist nicht in der Erfahrung, sondern wird erst durch das Erfahrende heineingetragen; daher heißt es a priori in der Bedeutung, wie Kant dies Wort nimmt.
B) Oder a posteriori heißt, was zufolge eines Gefühls der reinen* Anschauung vorkommt, und dann heißt a priori das, was durch denken in das Mannigfaltige der Gefühle hineingetragen wird, um das Mannigfaltige zu vereinigen. Kant hat die Form des Denkens in diesem Verfahren richtig geschildert, aber das Materiale, woher es kommt, fehlt.
Über das Verhältnis der verschiednen Zeitmomente zueinander vide Grundriss des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre, p. 195 etc.
//138//
Wie ist das Bewusstsein möglich? ist unsere Hauptfrage. Alles
Bewusstsein ist unmittelbar Bewusstsein unseres Handelns, und alles
unmittelbare Bewusstsein ist Bedingung dieses Handelns. Dies ist die
vorläufige Antwort, die wir bisher gegeben, aber noch nicht bestimmt
haben. Das bisher Gesagte ist bloß Vorbereitung gewesen.
Durch unsere bisherige
Untersuchung haben wir gefunden: Bewusstsein des Handelns ist nur unter
Bedingung der Freiheit möglich, dies unter Bedingung des Zweckbegriffs,
dieser nur unter Bedingung des Erkenntnisses vom Objekte, dieses aber
nur unter Bedingung des Handelns. Also
1. der Umfang unserer
Untersuchung, von der äußeren Grenze des gesamten Bewusstseins aus, hat
sich mir verengert, wir sind dem Mittelpunkte nähergekommen; wir sehen
jetzt ein, in welchen Zirkel wir uns verwickelt haben, und durch das
Aufzeigen dieses Zirkels werden wir weiter kommen.
Handeln ist nur unter
Bedingung des Erkenntnisses vom Objekte möglich, letzteres aber ist nur
möglich unter Bedingung des Handelns. Von der Einsicht in diesen Zirkel
hängt die Einsicht in den kritischen Idealismus ab.
Es ist also nichts erklärt: Die Schwierigkeit, die Schwierigkeit [sic]
dieses Erklärens kann nur durch die synthetische Vereinigung beider
behoben werden, und dadurch kommen wir auf den Punkt, aus dem sich das
Bewusstsein erklären lässt.
(Zum Vorteil der
Methode wollen wir diesen Zirkel in einfacher Form aufstellen, ein
Verfahren, das dem des Mathematikers ähnlich ist.)
Erkenntnis des Objekts
bezieht sich auf ein Gefühl und wird gesetzt notwendig zufolge des
Gefühls; statt Erkenntnis des Objekts können wird sonach Gefühl setzen.
Zweckbegriff bezieht sich auf ein Handelns und wird hier betrachtet als
Bedingung der Möglichkeit des Handelns; statt Zweckbegriff können wir
also Handeln setzen, und unser Zirkel hieße: Kein Gefühl ohne Handeln,
kein Handeln ohne Gefühl, und zwischen beiden ist eine notwendige
Dependenz.
Eine zirkuläre Definition ist ohne Inhalt. Sie ist eine Tautologie. A = A sagt gar nichts. Ein Inhalt entsteht, wo zwei prima facie Ungleiche einander gleichgesetzt werden - oder ein Identisches in Zweie unterschieden wird. Hier wird Eines in zwei Ungleiche geschieden, um sie hernach wieder zu vereinigen. Das nennt F. einen Wechselbegriff.
Gefühl ist Beschränktheit, Handeln ist Freiheit; sonach müssten Beschränktheit und Freiheit vereinigt werden: Eins dürfte nicht ohne das andre möglich sein. Wir müssten eine Freiheit aufzeigen, die nicht Freiheit wäre, wenn sie nicht beschränkt wäre, und eine Beschränkung, die nicht beschränkt würde, wenn sie nicht frei wäre. Es müsste ein X geben, in welchem beide vereinigt wären.
Wie soll nun Freiheit und Beschränkung vereinigt werden? Die Freiheit darf nicht aufgehoben werden, die Freiheit ist absolutes Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Darin darf ihre Beschränktheit nicht liegen, sie müsste darin liegen, dass die Bestimmbarkeit selbst ein endliches Quantum wäre, und zwar dass es keine Äußerung der Freiheit gäbe, ohne dass auf dieses Quantum reflektiert würde.
In dem unbekannten X liegt, dass die Freiheit beschränkt sein soll. Man denke sich ein auf irgendeine Weise tätiges Wesen; z. B. ein Stahlfeder, die gedrückt ist, sträubt sich gegen den Druck, dies ist Tätigkeit, aber nicht freie Tätigkeit, es ist in ihrer Natur, sie ist so bestimmt. Aber von einer solchen Bestimmtheit des Vernunftwesens kann nicht die Rede sein. Es muss übergegangen werden durch Wahl. Das Übergehen von der Unbestimmtheit zur Bestimmtheit müsste ein Quantum sein für die Wahl durch Freiheit. Auch müsste ohne Reflektieren auf dieses Quantum keine Freiheit möglich sein. Wenn dies so wäre, so würde, da alle Beschränktheit sich durch ein Gefühl äußert, keine Wahl durch Freiheit möglich sein ohne ein Gefühl der Beschränktheit.
Es ist oben die Rede gewesen von der Beschränktheit überhaupt, die sich durch das Urgefühl (das Gefühl des ganzen Zustands) äußert, das System der Sensibilität. Dieses System würde selbst ein Gefühl, und lediglich, inwieferen ich frei wäre.
Wir haben auch gesehen, dass dies Gefühl gesetzt wird als etwas im Raume, als unser Leib. Dies dürfte auch hier so sein; die Summe unserer Bestimmtheit wäre unser Leib. (Diese bestimmte Summe der Bestimmbarkeit wird sich, sinnlich be-//140//trachtet, zeigen als Individualität, und übersinnlich gedacht, als Sittengesetz!)
Wenn irgendwo bei Fichte ein ferner Anklang an den metaphysischen Leib-Seele-Dualismus zu finden ist, wäre es hier: Es ist der ursprüngliche Gegensatz von leiblicher Beschränktheit und der Grenzenlosigkeit der Einbildungskraft.
Dass es so sein müsste, geht aus unserer Synthesis hervor, denn nur so ist Bewusstsein möglich.
Eine Beschränktheit, die nicht ohne Freiheit möglich ist, ist Beschränktheit der Freiheit selbst. Richtung und zwar ursprüngliche Richtung derselben ist ein Punkt. Dies passt aber nicht zu dem Begriff, den wir gegenwärtig von der Freiheit aufgestellt haben. Wir müssen den Begriff der Freiheit schärfer fassen, als bisher nötig war. Bisher haben wir gesagt: Freiheit ist ein absolutes Übergehen von Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Aber schon im Paragraph 1 haben wir gesehen, dass dies Bedingung der Anschauung durch ideale Tätigkeit sei. Sonach liegt in unserem Begriff noch etwas Fremdartiges, die Form der Anschauung.
Da wir hier nun die Freiheit vor aller Anschauung und als Bedingung aller Möglichkeit des Bewusstsein und der Anschauung aufstellen wollen, so müssen wir dies erst durch das Bewusstsein hinzugekommene Fremdartige absondern; und sonach bleibt nichts übrig als Absolutheit. Aber Absolutheit lässt sich nicht einmal denken, wenn wir nicht etwas Empirisches hinzutun, das aber der Reinheit keinen Abbruch tut, nämlich die Reihe der Dependenz in der Zeit, und Freiheit wäre das Vermögen, absolut anzufangen.
Wir dürfen nicht die Freiheit an die Reihe, sondern die Reihe an die Freiheit knüpfen. So haben wir ein absolutes Erstes, ein Vermögen, absolut anzufangen.
(Die Definition der Freiheit, zwischen dem eigennützigen und uneigennützigen Triebe zu wählen, ist falsch, wenn Freiheit rein gedacht werden soll. Vide Kants Metaphysische Anfänge der Rechtslehre.)
Diese Freiheit soll
bestimmt sein, eine Richtung haben, würde heißen: Das Vermögen, absolut
anzufangen, hat eine bestimmte Richtung. Die Freiheit kann gerade dies
(ein bestimmtes Y) als erstes Glied setzen; so bleibt das Vermögen des
absoluten Anfangs und die Beschränktheit.
Nota.
Das
Absolute kann nicht gedacht werden, denn gedacht werden kann nur
Bestimmtes; wäre es aber bestimmt, wäre es nicht absolut. Gedacht werden
kann allenfalls, was es selbst bestimmt hat: die von ihm
begonnene Kausalreihe. Nicht als Bestimmtes, doch auch nicht als
Bestimmendes kann es gedacht werden - sondern nur als das, was vor dem Beginn der Reihe angenommen werden muss. Ein Akt der Freiheit kann, wie gesagt, nicht begriffen werden.
Die Beschränktheit ist,
dass nur Y erstes Glied sein kann, aber sie kann sich nur richten an
das Vermögen, absolut frei anzufangen. Es muss also eine Bestimmtheit
sein, die nur zur Freiheit passt.
Oben wurde gesagt, soll Freiheit Freiheit //141//
bleiben, so kann die Bestimmtheit nicht vorgeschrieben sein. Aber hier
ist ja die Beschränktheit selbst als Resultat der Beschränktheit
angegeben worden. Dies scheint sich zu widersprechen, aber es
widerspricht sich nicht, denn die Bestimmbarkeit ist gesetzt als
Quantum, nun lässt sich aber ein Quantum nicht denken, ohne dass etws
über ihm Hinausliegendes noch angenommen würde, und in dieser Rücksicht
wäre das Bestimmbare bestimmt. Das, was gegenwärtig das Bestimmte
genannt wird, kann in anderer Rücksicht auch das Bestimmbare sein.
Nota.
Das ist neu: Die Freiheit soll eine Richtung haben. Ja ja: von wo sie her kommt.
Nämlich vom Vermögen, absolut anzufangen. Frei ist sie, nach jedem
Schritt erneut eine Wahl zu treffen, worauf sie hinaus will; zu wählen
zwischen den möglichen Zwecken. So knüpft sie in Laufe der Zeit eine
Reihe, die nun die Bestimmheit des Ich - dieses Ichs: der Person - ausmacht.
Ein
Absolutes, von dem sie herkommt, wurde als gegeben aufgefunden. Ein
Absolutes, auf das sie geht, soll wohl gesetzt werden. Die Richtung der
Reihe, die wir betrachtet, wird idealiter angeschaut als der Versuch, das Absolute zu bestimmen; was unendlich währt und über die Zeit hinausgeht.
Unser synthetischer
Begriff ist Freiheit und Bestimmtheit in Einem. Freiheit, inwiefern
angefangen wird, Bestimmtheit, in wiefern nur so angefangen werden
kann.
Diesen Zustand wollen wir näher betrachten: In ihm liegt zweierlei ganz Verschiedenes. Es sind gleichsam zwei Seiten, auf der einen etwas Sinnliches, das Mannigfaltige des Gefühls; auf der anderen Seite das intelligible Ich, das Wollende. In der Mitte als Vereinigung von beiden: das Denken meiner selbst als enthaltend den Grund der Sukzession des Mannigfaltigen. Wie ist nun dieses Denken meiner selbst möglich?
Dies untersuchen wir jetzt. Wie finde ich mich, wie werde ich mir gegeben? Denn das Denken ist ein idealer Akt, welcher sein Objekt als gegeben voraussetzt.
Im vorigen Paragraphen haben wir vorläufig geantwortet: Dieses Denken bezieht sich auf eine intellektuelle Anschauung; //142// und dies muss hier näher bestimmt werden. Was ist denn nun die intellektuelle Anschauung selbst, und wie entsteht sie?
Entstehen ist ein Zeitbegriff, ein Sinnliches, aber die intellektuelle Anschauung ist nicht sinnlich, sie entsteht also nicht, sie ist; und es kann nur von ihr gesprochen werden im Gegensatz zur sinnlichen.
Zuvörderst kommt die intellektuelle Anschauung nicht unmittelbar vor, sondern sie wird in jedem Denkakte nur gedacht, sie ist das Höchste im endlichen Wesen. Auch der Philosoph kann sie nur durch Abstraktion und Reflexion zu Stande bringen.
Das Denken ist ein idealer Akt, welcher sein Objekt als gegeben voraussetzt. Der Ausgangspunkt ist die Sinnlichkeit, das Gefühl. Soll ich mir als gegebenes Objekt vorkommen, muss ich mich als Teil des Mannigfaltigen anschauen. Zugleich soll mich aber als das Wollende denken, welches ein Intelligibles ist. - Die Mannigfaltigen stehen zu einander im Verhältnis der Dependenz. Mich als wollend und als Teil des sinnlich Mannigfaltigen auffassen kann ich als Kausalität ('das Kausierende') der Dependenz: als absoluter Anfang der Sukzession. - Das kann in unmittelbarer Anschauung nicht geschehen, es muss gedacht werden - nämlich als notwendig anzunehmende Vorausssetzung all meines Tuns; als etwas, das vor dem 'absoluten Anfang' lag. Es ist ein Reflexion, die nicht über sich hinaus, sondern hinter sich zurück geht.
Negativ angesehen ist sie keine sinnliche [Anschauung],
die Form der sinnlichen Anschauung ist Übergehen vom Bestimmbaren zur
Bestimmtheit. Dies muss in jenem Wollen, insofern es intellektuell
angeschaut wird, ganz und gar wegfallen, und es bleibt nur ein bloßes
Anschauen unserer Bestimmtheit, die da ist, aber nicht wird. (Die
Anschauung der Form nach versteht sich von selbst, denn das Ich muss
beibehalten werden.) Es wäre sonach ein bloßes Anschauen meiner selbst
als eines Bestimmten.
Wie
wird nun diese
Bestimmtheit erscheinen? Erscheinung passt nur auf sinnliche
Wahrnehmung, wie kommt sie also in der sinnlichen Wahrnehmung vor? Als
ein Wollen, aber der Charakter des Wollens ist nach dem Obigen ein
Sollen, ein Fordern. Sonach müsste diese Bestimmtheit erscheinen als
bestimmtes, absolutes Sollen, als kategorische Forderung. Diese bloße
Form des Sollens, dieses absolute Fordern ist noch nicht das
Sittengesetz; dieses wird es erst, in wiefern es auf eine sinnliche
Willkür
bezogen wird, und davon ist hier noch nicht die Rede.
Man könnte es nennen reinen Willen, abgesondert von aller Bedingung
der Anschauung. Dieser müsste es sein, welchen wir jenem Denken, das wir
beschrieben, zum Grunde legen. Aber nun weiß ich wohl das Was, auf
welches jenes Denken geht, aber nicht das Wie. Das vermittelnde Glied
zwischen diesem Denken und Wollen müsste ein Gefühl sein, denn es ist
ein notwendiges Denken. Was könnte dies nun für ein Gefühl sein?
Gefühl ist Beschränkung des Strebens, sonach müsste das Streben über jene durch das reine Wollen ursprüng- //143//lich
bestimmte Streben-Sphäre hinausgehen; und aus der Beschränktheit dieses
Strebens durch das reine Wollen würde das Gefühl des Nichtdürfens über
jene Sphäre des Sollens innerhalb dieser Sphäre, entstehen [sic].
(Das
Herausgehen über jene durch den reinen Willen bestimmte Sphäre ist
selbst etwas Sinnliches, weil es dem reinen Wollen, dem eigentliche
wahren Ich, entgegegesetzt ist.)
Wir
finden also Freiheit und Beschränktheit ursprünglich vereinigt in der
kategorischen Forderung, die notwendig angenommen werden muss, wenn
Bewusstsein erklärt werden soll: Freiheit, indem angefangen werden soll,
Beschränktheit, in wiefern über die bestimmte Sphäre nicht
hinausgegangen werden soll.
Ich finde mich vor als zum Wollen bestimmt: Ich soll. Das soll eine Beschränkung meines Strebens sein, nicht etwa eine Verstärkung. Es soll ihm (F.) dadurch eine Sphäre entstehen, in die hinein er nicht darf. Dazu braucht er das Gefühl. Das Gefühl, auf das er hinauswill, ist der Denkzwang! Der hat sich doch nicht en passant erledigt, sondern er hat ihn auf der Hinterhand behalten: Er braucht ihn, damit "über die bestimmte Sphäre nicht hinausgangen werden" darf. Was führt er im Schilde?
Nota II.
Festzuhalten bleibt immer: Indem das Ich daran geht, sich zu bestimmen, findet es sich vor als... schon bestimmt, nämlich zum Wollen. Wieder erscheint der erste Schritt als ein zweiter. Das ist der dialektisch-paradoxale Inhalt der intellektuellen Anschaunng: Das Ich setzt sich selbst als sich vorausgesetzt; es kann sich nur als bestimmt setzen.
Das reine Wollen ist der kategorische Imperativ; es wird aber hier nicht so gebraucht, sondern nur zur Erklärung des Bewusstseins überhaupt. Kant braucht den kategorischen Imperativ nur zur Erklärung des Bewusstseins der Pflicht.
Aus dem reinen Wollen wird nun das empirische, und aus dem Objekte des reinen Wollens werden alle andere [sic] Objekte abgeleitet.
Allenthalben mussten wir, um das Bewusstsein zu erklären, etwas Erstes, Ursprüngliches annehmen, oben beim Gefühl, hier beim Wollen. Alles Denken, alles Vorstellen liegt zwischen dem ursprünglichen Wollen und der Beschränktheit durchs Gefühl in der Mitte. Der idealen Tätigkeit können wir zusehn, weil wir nur ideale Tätigkeit anschauen und auffassen können.
Das ist also das Anschauliche an der intellektuellen Anschauung: dass das Objekt - das Ich - nicht mittels Deliberation 'erkannt', d. h. bestimmt wird, sondern als bestimmt ursprünglich angeschaut. Als das Objekt des reinen Wollens findet sich bestimmt das reine Ich. Und dem reinen Wollen entspricht ein 'reiner Zweck'; das wäre das (unendliche) Fort-bestimmen des (nun nicht mehr reinen) Ich. Oder etwa nicht?
5) Es ist hier nicht darum zu tun, eine Moral aufzustellen, sondern das Bewusstsein überhaupt soll erklärt werden; und dies ist nur möglich unter Voraussesetzung des oben geschilder-//144//ten reinen Willens. Es soll gezeigt werden, wie hieraus sich das Bewusstsein [der] Objekte erklären werde.
Dies reine Wollen soll hier noch nichts anderes bedeuten als einen Erklärungsgrund des Bewusstseins, als eine Hypothese, noch nicht als ein Objekt des Bewustseins. Tiefer unten wird gezeigt werden, wie es in das Bewusstsein hinein komme. Es ist hier um die Folgen zu tun, die es haben wird, wenn es als Erklärungsgrund des Bewusstseins vorausgesetzt wird.
Alles Bewusstsein ist sinnlich. Es drückt aus den Akt der Intelligenz, der idealen Tätigkeit, und steht unter Gesetzen, wenigstens unter dem Gesetze des Übergehens von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Durch diese Affektion wird alles, was gedacht wird, wird [sic] notwendig sinnlich. Der aufgezeigte reine Wille soll etwas Übersinnliches sein, doch soll aus ihm etwas Sinnliches folgen. Wie wird er nun mit dem sinnlichen Bewusstsein vermittelt?
Oben wurde gesagt, das geschähe durch ein Gefühl, weil das Gefühl das Erste ist, von dem alle Handlungen des Bewusstseins ausgehen. (Oben wurde gesagt, es sei ein Gefühl des Strebens, des Sollens, des Forderns, der Begrenztheit, und insofern des Nichtdürfens.)
Gefühl überhaupt ist Äußerung der Begrenztheit im Ich, diese aber ist nicht möglich ohne Äußerung des Strebens, indem das Streben das Begrenzte ist, beides ist notwendig vereinigt. Dieser allgemeine Satz muss auch hier gelten. Hier ist nicht von Beschränkung überhaupt, sondern von der Beschränkung durch das absolut reine Wollen, das nicht von der Willkür abhängt, die Rede. Dies wäre ein Streben, eine Tendenz zum Wollen, welche kein Wollen werden kann vermöge der Beschränktheit, eine Begierde, und das Gefühl dieser Beschränktheit wäre, da der reine Wille kategorisch ist, das Gefühl des Nichtdürfens.
Nota II.
Ich versuche mal, das Beste draus zu machen. Vorher war stets von realem Wollen die Rede; jetzt haben wir es aber mit einem 'reinen' Wollen zu tun als dem Erklärungsgrund des realen Wollens - des Wollens, wie es im Bewusstsein vorkommt. Bewusstsein ist endlich und eo ipso sinnlich. Wie kann ein reines Wollen, das selbst nicht sinnlich wäre, im sinnlichen Bewusstsein unterkommen? - Sowie es in den Bereich der idealen Tätigkeit gelangt, unterliegt es dem Gesetz des Übergehens vom Bestimmbaren zum Bestimmten, wird verendlicht und versinnlicht. Wurde aber mein reines Wollen in meinem Bewusstsein zum Sollen bestimmt, so entsteht durch die Bestimmung dessen, was ich soll, eine Sphäre dessen, was ich nicht soll - so wie es neben dem Wollen eine Sphäre gibt, wo ich nicht will. Wäre das Nichtdürfen? Aus meinem Sollen ist es ausgeschieden, nicht aber aus meinem realen Wollen; wäre das die Begierde? - Das klingt nun weniger tautologisch als vielmehr erkünstelt. Vielleicht wird er aber noch deutlicher. Juni 2019
Anmerkung.
Kant hat sich oft, auch in der Einleitung zum Naturrecht insbesondere ,
so erklärt: als ob die gegen das reine Wollen strebende Begierde
unerklärlich sei. Sie ist aber allerdings erklärbar, sie ist Bedingung
des Selbstbewusstseins, denn sie ist Bedingung des Gefühls des reinen
Wollens, welches erst dadurch ein reines Wollen, ein Gesetz wird; und //145// ohne Voraussetzung des reinen Wollens ist kein Bewusstsein möglich.
Die Begierde gilt für alle endliche Vernunft; wer der Begierde entledigt sein will, der will des Bewusstseins entledigt werden.
Heilig ist für uns kein endliches Vernunftwesen, das Bewusstsein hat. Das Bewusstsein Gottes ist unerklärbar.
Aus der Vereinigung des
reinen Wollens mit der Begierde entsteht das Gefühl eines Sollens,
eines inneren, kategorischen Treibens zum Handeln (worauf dieses Handeln
sich bezieht, vide infra).
Aus der Vereinigung des
Nichtdürfens und der Begierde entsteht ein Erlaubtsein der Befriedigung
der Begierde. Dasjenige, was innerhalb des Umkreises dessen liegt, was
ich darf, ist erlaubt.
Jenes reine Wollen hat
Einfluss auf das Gefühlsvermögen. Dies kommt daher, weil eine Begierde
da ist, die eingeschränkt werden soll.
Im Naturrecht ist die
Rede nicht vom Sollen, sondern von Erlaubtsein. Das Naturrecht bezieht
sich lediglich auf den empirischen Willen. Das, was vor dem Forum des
Naturrechts ein Erlaubtsein ist, ist vor dem Forum der Moral ein Sollen.
In diesem Gefühle des
Sollens ist ganz eng zusammengedrängt, was wir oben zur Auflösung des
Widerspruchs forderten. Begrenztheit unserer Begierde und Freiheit,
absolut anzufangen.
Dieses Gefühl ist
kategorisch, nicht nur der Materie nach fordernd ohne weiteren Grund,
sondern auch der Form nach, es ist so gewiss, als ein Vernunftwesen da
ist; aus ihm folgt notwendig Bewusstsein; es ist daher notwendig ein
bestimmtes Bewusstsein und kommt im Bewusstsein des Vernunftwesens vor.
Wird hierdurch irgendetwas klarer? Mir nicht. Nochmal von vorn: Der reine Wille kollidiert mit dem Elementarfaktum meiner Beschränktheit und verendlicht (=verwirklicht, objektiviert) sich dadurch zur Be-
Sollte ich ihn nun recht verstanden haben, wird mir zwar klar, was er meint, aber nicht, dass es richtig ist. Seine Gründe erscheinen mir nicht, wie sie doch sollten, deduziert, sondern eher aus der Luft gegriffen, mit andern Worten: Er hat weniger Gründe als Absichten. Er hat die Absicht, die Transzendentalphilosophie zu naturalisieren und in eine materiale Rechtslehre und eine materiale Moral zu transformieren. Für die Rechtslehre geht das unter Umständen an, weil, wie wir sehen werden, die Aufforderung zum Vernünftigsein von einer 'Reihe vernünftiger Wesen' ausgeht und eo ipso eine gegenseitige Verbundenheit voraussetzt. Für die Sittenlehre geht es nicht an, weil sie sich an den Einzelnen richtet und die Pflichten betrifft, die er gegen sich selber hat; nicht gegen das Gemeinwesen.
Dezember 2016
Alles Denken ist Übergehen von Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Alles Denken ist bestimmte Tätigkeit, die etwas //146//
aus der Masse herausreißt und bestimmt. Sowie etwas in die Form des
Denkens aufgenommen wird, wird es selbst bestimmt. (Dieses ist die erste
Hauptbemerkung, die man sich klarmachen muss, um einzusehen, wie aus
dem Übersinnlichen ein Sinnliches wird.)
Wenn wir nun das Wollen denken, so wird es gerade so gedacht, wie wir es oben gedacht und beschrieben haben.
(Die zweite
Hauptbemerkung ist, dass allem Bestimmen ein Bestimmbares vorausgesetzt
werden muss, dies liegt in der Form unseres sinnlichen Denkens.)
Das Intelligible wird sinnlich, indem es mit einem Bestimmbaren zusammen gedacht wird.
Die Tätigkeit der Einbildungskraft ist zuerst real, daraus erfolgt ein Widerstand, er äußerst sich im Gefühl. Das Vorstellen beginnt mit der Anschauung des Gefühls als dieses, sie ist die erste Stufe der Reflexion = ideale Tätigkeit; ist setzen. Die Aufnahme des Gesetzten in den Begriff ist bestimmen: Hier beginnt denken in specie. Bestimmen ist aber verendlichen. Indem ein Intelligibles gedacht werden soll, wird es bestimmt und eo ipso verendlicht. - Sobald wir wirklich zu denken anfangen, verlassen wir das Reich des bloß Intelligblen und treten in die Sinnlichkeit ein. Das ist scholastisch formuliert, Fichte selbst hat auf dergleichen verzichtet. Es ist auch kein Lehrsatz, sondern eine Verständnishilfe.
Aus diesem notwendig zu setzenden Bestimmbaren werden wir alle Elemente des Bewusstseins ableiten als Mittelbares, herbeigebracht durch das Bewusstsein des Sollens.
Im Sinne einer kritischen Anthropologie gedeutet, hat das Sinn. Das Zeitalter der Vernunft hob an, als die Menschen nicht mehr bloß okkasionell in je bestimmter Absicht das ihnen Begegnende zu begreifen suchten, sondern dazu übergingen, das Begreifen als ein Anforderung anzusehen, die von Rechts wegen generell an sie gestellt wird.
(Dieser
Gedanke ist in der kritischen Philosophie nicht neu; es ist der Gedanke
von Kants praktischem Postulate "Ich soll, drum muss das, was ich soll,
möglich sein". Dieser Gedanke ist mit dem Fichtischen: "Ich denke mein
Sollen, und so gewiss ich es denke, denke ich mein Übergehen vom
Bestimmbaren zur Bestimmtheit, ich muss also zum Sollen das Bestimmbare
hinzudenken" einerlei.
Aber
wie aus dem Sollen das Können folgt, hat Kant nur analytisch gezeigt.
Das Objekt der Philosophie ist aber ein synthetisches Denken; ich muss
mich als sollend denken, aber so gewiss ich das muss, muss ich auch das
Bestimmbare hinzudenken. Dies ist synthetisch. Dann ist der Umfang von
Kants praktischen Postulaten zu enge, indem er ihn ihn bloß auf den
Glauben an Gott und Unsterblichkeit beschränkt; es wird sich aber zeigen, dass das ganze Bewusstsein drinnen liegt.
//147// Kant
war beim Entwerfen der Kritik der reinen Vernunft nicht ganz im Reinen.
Es ist darin nur von sinnlich objektivem Denken die Rede, und das Ich
erscheint daselbst nicht für sich, sondern nur als Akzidenz; in der
Kritik der Urteilskraft aber und der praktischen Vernunft ist das Ich
für sich aufgestellt.)
'Ich soll, also muss das, was ich soll, möglich sein' - wie das ohne spekulative Metaphysik behauptet werden kann, ist mir unverständlich. 'Ich kann, was ich soll, und wenn einer sagt, er kann nicht, dann will er nicht' - das ist plausibel. Aber mit der Möglichkeit dessen, was er soll, dem Erfolg, hat das nicht zu tun.
7. Das Sollen oder das
bestimmte reine Wollen ist nach Obigem selbst etwas Objektives. Das
Bewusstsein als etwas Fließendes hebt nur an mit dem Gefühle der
Veränderung in unserem Zustande; die Veränderung wird aber auf das
Wollende bezogen, welches gleichsam als schon bekannt vorausgesetzt
wird, da es schlechthin da ist.
Das Mannigfaltige des Gefühls ist eins, inwiefern unsere eigene Selbstbestimmung in dem [sic] Mannigfaltigen hineingesetzt wird. Wir haben hier zwei Hälften,
α) die des Mannigfaltigen,
β) die unserer Selbstbestimmung; die letztere setzen wir in die erstere hinein, und so ist Selbstbewusstsein möglich.
//148//
Das im vorigen Paragraphen Aufgestellte ist der Punkt des empirischen
Denkens. Alles empirische Denken geht aus von der Wahrnehmung der
Veränderung des Zustandes, aber es wird nur wahrgenommen, in wiefern die
Veränderung verknüpft wird mit dem Wollen. Ich verhalte mich dazu als
das für das Denken Vorausgesetzte, und dieses Ich ist das Wollende und
hat sonach den Charakter des Objektiven. Sonach entsteht das reine
Wollen nicht durch das Denken, sondern jenes wird diesem schon
vorausgesetzt.
Wenn ich wirke, so bringe ich mich eigentlich aus einem Zustande des Gefühls in einen anderen, hier ist ein Übergehen durch meinen freinen Willen;
so wenn ich mir einen freien Begriff entwerfe, z. B. wenn ich mir an
die Stelle eines Objekts im Raume irgend ein anderes denke. Diese
Veränderung soll geschehen sein durch meinen Willen zufolge eines
Begriffs.
Nicht die Begriffe sind das Wahre der Vorstellung, sondern das Vorstellen ist das Wahre des Begreifens.
Die Darstellung muss, das wiederholt Fichte immer wieder, diskursiv verfahren - also in paradoxaler Form das lebendige Vorstellen durch Verknüpfung ruhender Begriffe beschreiben. Sie kann das Paradox nicht vermeiden, sondern immer wieder nur daran erinnern.
Fichte führt nun stets den Stufengang des Bestimmens als lebendiges Vorstellen vor. Aber sein Vorgehen ist ja ein doppeltes: Das reale Vorstellen ist stets von der idealen Anschauung begleitet - es wird reflektiert. Und beim Reflektieren stößt es - nein: er, Fichte - wieder auf die abgelegten Begriffe. Aber die macht er jetzt doch zum Prüfstein und Maßstab des Vorstellens, wenn er nämlich jedesmal darlegen will, dass und wie die neue Vorstellung schon in der ihr vorangegangenen Vorstellung unbemerkt angelegt und vorausgesetzt war: Dann destilliert er nämlich aus der Definition des vorangegangenen Begriffs die Bestimmung der neuen Vorstellung.
Entsprechend konstruiert wirkt daher manch eine seiner Deduktionen; er entwickelt dann nicht eine Vorstellung aus der andern, sondern kombiniert Begriffe. Das jeweils im einzelnen Fall auseinanderzulegen ist mühselig, es schwirrt einem der Kopf. Es wäre schon ein Wunder, wenn Fichte sich nicht gelegentlich verheddert hätte; zumal er die Unterscheidung selber nie so scharf ausgesprochen hat.
Wie verhält sich nun das Übergehen meines reinen Wollens von seinem Bestimmbaren zum Bestimmten [zum Bewusstsein]? Es ist ohne unser Zutun; denn wir selbst werden erst durch unser Übergehen. (Ich erscheine mir als bestimmt, mich so oder so zu bestimmen.) Hier liegt die Idee unseres Entstehens in der Zeit. Das Ich erscheint sich hier als bestimmt, sich so zu bestimmen, wie es sich bestimmt, und das Übergehen wird hier nicht als frei, sondern als notwendig ge-dacht. Es ist etwas Gefundenes. Diese Bestimmtheit, die mein Hauptcharakter ist, besteht darin, dass ich bestimmt bin, mich auf eine gewisse Weise zu bestimmen; sie besteht lediglich in einer Aufgabe zu einem Handeln, zu meinem Sollen. Die Bestimmung des Menschen ist nicht etwas, das der Mensch sich gibt, sondern das, wodurch der Mensch Mensch ist.
Der Mensch ist bestimmt, sich selbst zu bestimmen, seine Bestimmung ist eine Aufgabe, ein Sollen; ja, das hatten wir schon. Was hat das mit dem Zusehen beim Wachsen der Pflanzen zu tun? Wird die Pflanze analog zu mir, werde ich analog zur Pflanze gedacht als selbstbestimmend? Historisch stammt das kausale Denken - über die Stationen der Entelechie und der Monaden - aus dem Animismus. Muss ich es genetisch ebenso auffassen? - Anders kann ich mir den obeigen Absatz nicht erklären, aber das, wodurch der Mensch Mensch ist, wird dadurch eher unbestimmter als bestimmt; die Pflanze tut's ihm nach, oder vor.
A) Ich bekomme das Objekt als ein Bestimmbares; dann bestimme ich es durch mein Denken; z. B. wenn ich ein Objekt im Raume in eine andere Stelle versetze; oder //149//
B) das Objekt wird gefunden als ein durchgängig Bestimmtes, so kann ich es nicht denken als durch mein Denken bestimmt; nun kann ich mich aber nur denken als bestimmend; mein Denken müsste daher erscheinen als dem Bestimmen zusehend, als leidend.
Z. B. ich finde mich ursprünglich bestimmt, ich soll, oder ich finde meinen reinen Willen. Dieser wird meinem Denken als solcher schon gegeben, aber er kann nur gedacht werden als ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten.
Das Ich ist, wie es hier in dem Hauptbegriffe der ursprünglichen Bestimmtheit angesehen wird, etwas Intelligibles, ein Geistiges, es lässt sich bloß negativ bestimmen durch Abstraktion von der äußeren Anschauung. Die Form der äußeren Anschauung Raum und Zeit passt darauf gar nicht. Das Ich als ein Geistiges ist ein Bestimmtes, das Bestimmbare dazu muss auch ein Geistiges sein, eine Masse des rein Geistigen (sit vernia verbo; es wird sich unten zeigen als Reich vernünftiger Wesen, das ist ein bestimmter Teil dieser Masse; es wird sich zeigen, dass das Geistige sich teilen lasse.) Das Ich ist Vernunft und bestimmte Vernunft.
Das Bestimmbare dazu ist alle Vernunft (Wesen meiner Gattung), das Bestimmte bin ich (und da ich mir eine Sphäre des Vernünftigen entgegensetze:) als Idividuum.
Nota II.
Wir müssen hier das bestimmbare und bestimmte [Ich] gegen einander halten: Entgegengesetzt sind sie darin: das bestimmte bin ich, das bestimmbare bin ich nicht: Nichtich; gleich sind sie darin, dass beide gleich geistig sind (lediglich denkbar, Noumen).
Wie wird nun das bestimmte Ich, in welchem Sinne bin ich Ich im Gegensatze gegen andere Wesen meinesgleichen?
Ich hat uns bisher
bedeutet in sich zurückgehende Tätigkeit, aber damit können wir jetzt
nicht weiter auskommen: Dieses charakterisiert nur vernünftige Wesen
von anderen vernunftlosen Objekten, auch wird sich in Zukunft zeigen,
dass in sich zurückgehende Tätigkeit auch den organischen Naturprodukten
zukommt. Wir müssen daher noch dieses hinzusetzen: dass mit der in sich
zurückgehenden Tätigkeit der Gedanke derselben verbunden sei.
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Es entsteht aus der Bestimmtheit durch mich selbst ein Gefühl, und aus
diesem der Gedanke meiner selbst. Also finde ich mich als Objekt und bin
mir selbst Objekt; aber ich kann mich unter keiner anderen Bedingung
finden, als dass ich mich finde als Individuum unter mehreren geistigen Wesen.
Es ist ein Hauptsatz
der kritischen Idealismus, dass von einem Intelligiblen ausgegangen
wird. Dies hat uns getrieben bis zu einem reinen Wollen, das empirische
langt nicht zu. Jede meiner empirischen Bestimmungen bezieht sich auf
meine ursprüngliche Bestimmtheit und ist nur unter dieser Voraussetzung
gedenkbar. Dieses Vermögen könnte ich mir nicht zuschreiben, wenn ich es
nicht fände; aber ich kann es nur finden als die Bestimmtheit und das
reine Wollen.
1) Ich finde mich als ein Objekt, bin mir gegeben.
2) Das Bestimmbare ist ein Reich vernünftiger Wesen außer mir. Aber vernünftige Wesen außer mir werden nur gedacht, um das Mannigfaltige zu erklären. Die Vernunft und den freien Willen anderer außer mir nehme ich nicht wahr, ich schließe nur darauf aus einer Erscheinung in der Sinnenwelt; sie gehören daher nicht in die Sinnen-, sondern in die intelligible Welt, in die der Noumena.
(Der auffallendste Beweis, dass der Kantsche Kritizismus nicht vollendet ist, ist, dass Kant sich über diesen Punkt nicht erklärt hat. Kant war der Sache äußerst nahe in der Kritik der Urteilskraft. Das Prinzip der reflektierenden Urteilskraft wäre es, woraus sich diese Annahme erklären ließe. Die Urteilskraft ist bloß subsumierend, wenn sie nach den allgemeinen Gesetzen des Denkens, nach den Kategorien verfährt. Nun aber kann der Fall eintreten, wo dies nicht angeht, wo aber doch geurteilt werden muss, es muss daher auf die entgegengesetzte Weise verfahren werden. Kant zeigt dies nur bei der Beurteilung der organisierten Naturprodukte.
Bei Kant kommt das Prinzip der Annahme vernünftiger Wesen außer mir nicht vor als ein Erkenntnisgrund, sondern als ein praktisches Prinzip, wie es in der Formel seines Moral-//151///prinzips aufgestellt ist: Ich soll so handeln, dass meine Handlungsweise Gesetz für jedes vernünftige Wesen werden könne. Aber da muss ich doch schon vernünftige Wesen außer mir annehmen, denn wie will ich sonst dies Gesetz auf sie beziehen?)
Das ist keine Kleinigkeit: Wenn Kant annimmt, ich könne auch ganz für mich allein ein vernünftiges Wesen sein und müsse erst dann, wenn ich mit andern in Verkehr trete, über meine Handeln Rechenschaft ablegen, vermengt er nicht nur unerlaubt Recht und Moralität, sondern er leistet der Annahme Vorschub, dass 'es' die Vernunft 'gibt' - was er wohl selber so gesehen hat, sonst hätte er sich mit der Aufdeckung der Kategorien und der beiden Anschauungsformen kaum begnügen können.
Bei F. dagegen ist die Reihe vernünftiger Wesen, nämlich die Aufforderung, die durch sie ergeht, Bedingung reeller Vernünftigkeit. Vorher mag ich 'an sich' vernünftig gehandelt haben, aber ich brauchte nicht darauf zu achten: Es kam nichts darauf an. Zwar liebäugelt auch er immer wieder mit einer an-sich-seienden Vernunft; aber ebenso reizt ihn der Gedanke, Vernunft könnte aus der gegenseitigen Aufforderung zur Vernünftigkeit überhaupt erst entstehen. Davon ist er durch den Atheismusstreit wieder abgekommen, aber es ist das, was die Wissenschaftslehre heute, wie man so sagt, "anschlussfähig" macht.
Also
das erste und höchste der Ordnung des Denkens nach, das ich finde, bin
ich, aber ich kann mich nicht finden ohne Wesen meinesgleich außer mir,
denn ich bin Individuum. Also meine Erfahrung geht aus von einer
Reihe vernünftiger Wesen, zu welcher auch ich gehöre, und an diesen
Punkt knüpft sich alles an. Dieses ist die intelligible Welt; Welt,
insofern sie etwas Gefundenes ist, intelligibel, insofern sie nur
gedacht und nicht angeschaut wird.
Die Welt der Erfahrung wird auf die intelligible gebaut, beide sind
zugleich, eine ist nicht ohne die andre, sie stehen im Geiste in
Wechselwirkung.
Beide entstehen aus den Gesetzen der idealen Tätigkeit, die
intelligible aus den Gesetzen des Denkens, die empirische aus den
Gesetzen der Anschauung, sie sind etwas Ideales (Noumene), aber keine
Dinge an sich.
Nota.
Keine Dinge an sich. Aber doch wohl das, was Kant das Apriori nennt: zwölf Kategorien und zwei Anschauungsformen.
Der Grund von beiden ist schlechthin ursprünglich, die Bestimmung des reinen Willens. Wenn man von etwas an sich reden wollte, so wäre es der reine Wille, der sich in der Empirie zeigt als Sittengesetz. Dies bemerkt auch Kant in der Kritik der reinen Vernunft.
Alles mein geistiges Handeln als solches setzt etwas voraus, worauf es
gehe, es ist ein Modifizieren, aber dazu gehört ein Modifizierbares; oder: alles
mein Handeln ist ein Überschweben vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Nun
muss es etwas Fixiertes geben, woran das Übergehen sich halte. Es muss
ein Fortdauerndes, Bestehendes geben. Dieses haben wir gesucht und
gefunden als unmittelbares Objekt des Bewusstseins, und diese
Bestimmtheit des reinen Willens ist der Erklärungsgrund alles
Bewusstseins.
Der gegenwärtige Paragraph verhält sich zu den vorhergegangenen so: In
den vorigen wurde nur der Weg gebahnt, im gegenwärtigen ist der Punkt
aufgestellt, von welchem alles andere abgeleitet wird, und die
Schwierigkeit ist gelöst.
Hat er das bewiesen: dass die Reihe vernünftiger Wesen - als unmittelbares Objekt des Bewusstseins - zusammenfalle mit der Bestimmung des reinen Willens? Das muss ich mir erst nochmal ganz genau ansehen! Jedenfalls ist das nicht der Punkt, an dem er seine Darstellung begonnen hat. Das war vielmehr die Frage, wie wir zu der Annahme kommen, dass den Vorstellungen in unserm Bewusstsein etwas außerhalb des Bewusstseins entspreche: Er hat unserm Vorstellen bei seiner Tätigkeit zugesehen. Von da aus ist er nun zu dem festen Punkt gelangt, der unserer Vorstellungstätigkeit - dem Schweben von Unbestimmtheit zu Bestimmtheit - ein Fortdauerndes, Bestehendes gibt, von dem sie alles andere ableiten kann: Es ist die Annahme einer intelligiblen Welt, die angeschaut wird in den andern Individuen meinesgleichen, aber gedacht wird als eine Reihe vernünftiger Wesen. - In einem gewissen Sinn fängt hier das System der Wissenschaftslehre eigentlich erst an.
Reelle Wirksamkeit ist
nur möglich nach einem Zweckbegriffe und ein Zweckbegriff nur unter der
Bedingung einer Erkenntnis, und diese [ist]
nur unter der Bedingung einer reellen Wirksamkeit möglich; und das
Bewusstsein würde durch einen Zirkel, und also gar nicht erklärt.
Es muss daher etwas
geben, das Objekt der Erkenntnis und der Wirksamkeit zugleich sei. Alle
diese Merkmale sind nur in einem allem empirischen Wollen und aller
empirischen Erkenntnis vorauszusetzenden reinen Willen vereinigt. Dieser
reine Wille ist etwas bloß Intelligibles, wird aber, inwiefern er sich
durch ein Gefühl des Sollens äußert und zufolge dessen gedacht wird,
aufgenommen in die Form des Denkens überhaupt als ein Bestimmtes im
Gegensatz eines Bestimmbaren, dadurch werde ich das Subjekt dieses
Willens, ein Individuum, und als Bestimmbares dazu wird mir ein Reich
vernünftiger Wesen.
Aus diesem reinen Begrifffe lässt sich ableiten und muss abgeleitet werden das gesamte Bewusstsein.
Als wollend hatte ich mich von Anbeginn vorgefunden, sonst hätte ich mit dem Bestimmen - Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten - gar nicht erst angefangen. Auf dem Weg der Fortbestimmens fand ich mich schließlich als zum Bestimmen bestimmt: Ich habe nicht aus freien Stücken angefangen, sondern habe ein reines Wollen mir vorausgesetzt gefunden, das mir eben darum als ein Sollen vorkommt. Erst so wurde ich Individuum.
Warum muss mir aber die Sphäre meines Sollens, das Reich des Bestimmbaren außer mir, als eine Reihe vernünftiger Wesen vorkommen? Weil ich ein bestimmtes Individuum bin und mir das andre Bestimmbare in dieser Sphäre seinerseits als (durch sich selbst, wie wir finden werden) zu bestimmende Individuen vorkommen muss? Oder weil ich Individuen, die mich zur Vernunft auffordern, bereits vorgefunden habe? - Das ist zweierlei, da bliebe noch viel zu klären.
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