Dienstag, 26. März 2024

§ 18



§ 18
 
Wir haben nun diese ursprüngliche Synthesis zum festen Standpunkte, in dem wir entweder die Synthesis selbst zum Gegenstande der Untersuchuung machen können, oder in der Synthesis selbst die Aussicht nehmen [und] das mannigfaltige Denken einzeln untersuchen. Letzteres erfordert das systematische Bedürfnis. 

Jetzt wollen wir uns in den Standpunkt der Synthesis selbst versetzen und ein in derselben gedachtes diskretes Denken untersuchen; wir werden dadurch wieder in die Hauptsynthesis zurückkommen. 

Unsere Absicht ist die: Wir haben vom Anfange der Synthesis ein Sein und Denken als notwendig vereinigt aufgezeigt. Dies ist näher bestimmt als entgegengesetzte Art des Denkens, als Ideales und Reales; der ganze Unterschied liegt bloß in der verschiedenen Bestimmung der Intelligenz dabei. Beides ist eben dasselbe pp, beides haben wir erblickt als notwendig vereinigt in der Kategorie der Wechselwirkung, beide sind erschöpfende Teile der Synthesis; wir können also sicher sein, mit ihnen alles, was im Bewusstsein vorhanden ist, zu haben.
 
Nota.
Wir nähern uns wieder dem Ausgangspunkt: Die Darstellung kommt langsam zu ihrem Schluss.
 
Wir werden sodann jedes als besonderes Denken betrachten. Aber vor der Hand: Alles Denken geschieht nach den Regeln des Denkens, hat seinen Umfang und ist wieder ein synthetischer Periodus

Unsere nächste Aufgabe wäre also dies (denn in der Wissenschaftslehre herrscht //216// immer ein organisches [=genetisches] Denken, vide supra). Nun steht es uns allerdings frei, für das Bedürfnis der Spekulation das Mannigfaltige der klaren Einsicht wegen zu trennen, aber wir müssen uns immer erinnern, dass alles ein Bestandteil der Synthesis sei; unser jetziges Geschäft wird ein Verbreiten dieser Synthesis gleichsam e centro sein.

Wir kamen in dem vorigen Paragraphen nur bis zur Annahme eines Produkts unserer Kausalität in der Sinnenwelt, nur dass aber die eigentlich gegebene Welt, die ohne unser Zutun bestehende Sinnenwelt noch nicht deduziert ist. Dies ist noch zu leisten. Wir haben erst ein Dreifaches aufgewiesen: von einer Seite: den idealen, den Zweckbegriff; von der realen Reihe: die Kausalität; in der Mitte das des bloß selbsttätigen Ich. Es muss fünffach [sein] oder sich an beiden Seiten ein Glied anschließen.

Bestimmtere Charakteristik des idealen und realen Denkens (bestimmter darum, dass hier die Resultate gezogen werden, oben aber erst die Prämissen durcheinander liefen) (Diese muss vorangeschickt werden, weil das ideale und reale Denken hier weiter durcheinander bestimmt werden soll). Ideales Denken ist es, wenn das Bestimmen oder Denken durch die Einbildungkraft hindurch erblickt und dadurch zur bloßen Bewegung, zum bloßen Tun wird, ohne dass ein Produkt desselben erscheine.

(Unsere Tätigkeit erscheint immer als ein Fließen, welches oben erklärt ist; nun erscheint auch ein Produkt, davon abstrahieren wir jetzt, es ist ein Tun überhaupt wie oben im reinen Zweckbegriff). Darin ist es ein bloßes ideales Denken. -

Ein reales Denken ist das, wenn das nun versinnlichte Bestimmen, das daliegende, abermals bestimmt wird durch das reine Denken. Im ersten erscheint das Denken als ganz frei, im zweiten erblickt es sich als gebunden, daher entsteht das Gefühl und insbesondere das Gefühl des Denkzwanges
1

Wenn ich einen Zweckbegriff entwerfe, bin ich frei und selbstbestimmend: Soll ich ferner das tun oder das? Hier wird //217// meine Kraft an alle diese möglichen Fälle gehalten, die mir einfallen. Aber woher weiß man, dass man eine selbstbestimmende Kraft hat! Dies liegt in uns, in dem eignen freien Denken; wir kommen uns hier schon vor als bloßes Noumen. 

Jetzt sagen wir: Das will ich, nun ist jenes Schweben aufgehoben, unser Denken ist auf einen einzigen Punkt geworfen; dieser kommt wieder aus einem freien Denken her pp. Ich als Noumen erscheine mir doppelt: 1) überhaupt als so vorausgersetzt, dass ich diese Bestimmung halte an das Mannigfaltige der Wahl. 2) als ein empirisches Bewusstsein, gemacht, hervorgebracht, bestimmt.
 
Nota.
Es ist das erste Mal, dass F. den 'Zweckbegriff' genauer bestimmt: Er ist nicht die unentfaltete Vor- oder Frühform des Sachbegriffs, sondern er ist ein Akt, der Akt der Wahl aus allen Handlungsmöglichkeiten, "die mir einfallen". (Reell: Ich stelle mir wirklich vor, all diese Möglichkeiten seien bereits 'da' gewesen, bevor ich 'auf sie gekommen' bin. Insoweit ist der Zweckbegriff allerdings der Vorläufer der Sachbegriffe: Sie kommen uns alle wie vorgefunden vor; das ist der Ursprung des dogmatischen Denkens und des dialektischen Scheins.)

(Es gibt hier einen Widerstreit des Ausdrucks und der notwendigen Ansicht, und von der anderen Seite der Sache, die wir denken wollen; nämlich bei aller Bemühung können wir die Untersuchung über die Hauptsynthesis niemals erschöpfen; wir können sonach nimmermehr das Bestimmte und Bestimmende als eins anschauen, weil beides in der Synthesis auseinander liegt. Dieses Bestimmen und Bestimmtsein ist in der Hauptsynthesis eins, diese können wir aber nicht fassen.

Die Philosophie hebt notwendig an mit einem Unbegreiflichen, mit der ursprünglichen Synthesis der Einbildungskraft, ebenso mit einem Unanschaubaren, mit der ursprünglichen Synthesis des Denkens. Dieser Akt ist nicht zu denken noch anzuschauen. Es [sic] lässt sich auch also noch bloß die Aufgabe aufstellen, alles Übrige ist erreichbar, da es in der Erfahrung vollzogen wird.)

Kurz, ich denke reell, wenn ich mich gezwungen fühle. Dies kommt daher, weil ich mich bestimmte. Denke ich dieses Bestimmte, so denke ich idealiter, mit letzterem ist kein Gefühl verbunden wie mit dem ersten. - 
 
Nota.
Fassen, nämlich entweder denken oder anschauen, lässt sich die Synthesis nicht, denn sie ist ja nur als das Übergehen vom einen zum andern; würde es gefasst, könnte es nicht länger übergehen.
Die Hauptsynthesis ist in allgemeinster Formulierung: Ich bestimme Mich. Würde das je gelingen, wäre mit allem Bestimmen Schluss. Bestimmen meiner - und von irgendetwas anderem - als... ist nur möglich, solange ich mich von mir unterscheide. Wenn ich mich zu Ende bestimmt habe und mit mir eins geworden bin, bin ich tot.
  
Dieses Denken haben wir schon genetisch zusammengesetzt; hier finden wir beides als ein Ganze[s], und wir wollen nun beide auf einander beziehen. Wie wird also eins durch das andere bestimmt? Wir wollen bei der Beziehung des realen Denkens auf das ideale anfangen, also

2.
 
in der ursprünglichen Synthesis ist mein Zustand von einer Seite betrachtet ein reelles Denken; nun ists unmöglich, dass //218// derselbe Zustand auch ein Unbestimmtes sei, demnach muss das ideale Denken, da es in demselben Zustande vorkommt, selber mit bestimmt werden. -

Das heißt nicht, das Ideale verliert seinen Charakter als Ideales, beides muss beisammen bestehen, weil sonst kein Ich bestehen könnte. Die Freiheit als solche, das Bestimmen, das bloße Vermögen wird selbst gesetzt als ein bloßes Vermögen, das Ich wird als Seele zur Substanz mit dem und dem bestimmten Vermögen, weder mit mehr oder weniger (von Gemütsvermögen ist nicht die Rede).

Substanz ist ein bloßes Vermögen, das selbst in Schranken eingeschlossen wird, aber Vermögen ist es nur, inwiefern es durch die Einbildungskraft hindurch gesehen wird. Ein begrenztes Vermögen ist es, inwiefern jenes Konstruieren der Einbildungskraft durchs reine Denken bestimmt wird.

Wir hatten also hier quasi drei Akte. 1) Ich denke mich als absolute reine Kraft; dies ist Resultat des absolut reinen Denkens. 2) Diese reine Kraft sehe ich durch die Einbildungkraft hindurch, durch ein unendliches Mannigfaltiges der Handlungsmöglichkeiten. Dadurch entsteht mir nun eine zu einem unendlichen Mannigfaltigen Vermögen habende Kraft. 3) Diese Kraft denke ich nun abermals, dies ist nicht das reine Denken sub Nr. 1, ebensowenig der Akt der Einbildungkraft sub Nr. 2, sondern auf beides in seiner Vereinigung gehendes empirisches Denken.

Die Beschränkung des Geistigen kommt von diesem Denken. Das ideale oder reine Denken allein ist produzierend, wodurch Noumene hervorgebracht werden. Alles reelle Denken ist nur begrenzend und teilend das Gemachte; dies ist das leichteste, worauf weiter gebaut wird.
 
Nota.
Das reine oder ideale Denken produziert Noumena, da greift das reale Denken teilend und begrenzend hinein, daraus entsteht - nein, nicht eine Welt, sondern das reale Bewusstsein von mir und der Welt.  

3.

Dadurch wird nun das Ich als Geist etwas Bestimmtes, denn von physischer Kraft ist noch nicht die Rede.

Aber es gibt kein bestimmtes Denken und keines eines Bestimmten ohne Denken eines Bestimmbaren. Das bestimmte Denken ist überall nichts anderes als Übergehen aus Bestimmbarkeit //219// zur Bestimmtheit, vide collegium Logica et Metaphysica. Das empirische Denken ist immer ein Herausgehen aus einem Bestimmbaren, folglich: Zu diesem Bestimmten meiner selbst als Geist tritt mir notwendig ein Bestimmbares hinzu, und so verbreitet sich unser System.

Im Vorbeigehen: Eine vollendete Synthesis hat fünf Glieder, wir haben aber nur drei. A, und von einer Seite β reines Denken und B reales Denken; es muss nun noch von beiden Seiten zwei Enden geben, die finden sich hier. Jetzt bin ich im Gebiete des β; da wird notwendig ausgegangen von einem Bestimmbaren, da wird nun das äußere Glied angeschlossen. Aber dies Bestimmbare werden wir nicht kennen, wenn wir nicht die aufgestellte Bestimmtheit als Begrenzung eines Vermögens noch näher kennen lernen. -

Wir kommern jetzt auf einen wichtigen und leichtverständlichen Punkt, der aber schwer darzustellen ist. Wir wollen erst die Bestimmtheit unserer selbst als Geist näher untersuchen, das zu Bestimmende ist Freiheit, reine Tätigkeit als solche; durch ihre Bestimmung entsteht uns folgender Begriff: Das Freie bin ich selbst, die Bestimmtheit ist Begrenzung meiner selbst; sie ist also außer mir und erscheint als außer mir, ohne mein Zutun, denn es ist eben Beschränktheit meiner Freiheit. Demnach wäre die Bestimmtheit etwas an sich, ein Gegebenes. -

Ferner sollte sie sein eine Beschränktheit der Freiheit als solcher, und indem sie das ist, muss sie Freiheit bleiben. Die Freiheit wird begrenzt heißt nimmermehr, sie kann [nur] so weit gehen, sonst wäre sie nicht begrenzt als Freiheit, und es gäbe [nur] ein begrenztes Quantum Freiheit. Es ist aber ausdrücklich gesagt, es soll Begrenztheit der Freiheit als solcher sein, sie soll auch noch über die Begrenzung hinausgehen. Es soll nicht sein wie eine mechanische Begrenzung der Kraft, so dass [vielmehr] die Freiheit weiter gehen könnte, aber aus einem in ihr liegenden Grund nicht weiter gehe.

Setzen wir den Begriff zusammen, so haben wir ihn selbst. Eine Beschränktheit, die aus der Freiheit herauskommt, ist Selbstbeschränkung, und diese müsste sie sein. Sie soll aber doch etwas an sich sein, id est ein notwendiges Denken. Also ein notwendiges Denken einer Selbstbeschränkung wäre die aufgestellte Grenze, die durchs Bestimmen des Ideals zu Stande käme, aber dies ist ein Sollen; Bestimmtheit des Seins hingegen ist ein Müssen.

Man //220// denke an den Charakter des Gegebenseins. Das Sollen erscheint uns nicht als durch uns hervorgebracht dem Grunde nach, es ist etwas, das einmal so ist, durch Denkzwang Vorhandenes; doch ists Bestimmtheit der Freiheit, eine Bestimmung, die man nicht findet wie bei dem sinnlichen reellen Denken, [sondern eine,] die man hervorbringen soll; aber dass man sie hervorbringen soll, das findet man.

Es ist demnach eine notwendig zu denkende Aufgabe: Darinnen eben besteht das Wesen der Ideen, dass man nur die Regel konstruiert, nach der sie zu Stande kommen sollen; z. B. bei dem unendlichen Raume. So ist es gleichsam etwas Gegebenes, eine sich aufdrängende Aufgabe; zweitens ist es Aufgabe nur, in wiefern man sich dieselbe mit Freiheit auflegt.*

Resultat: Ich finde mich als ein solches, das weder beschränkt ist noch unbeschränkt, sondern nur frei [ist], id est durch sich selber ins Unendliche bestimmbar, durch welches eben alles Sein ausgeschlossen wird; nur bleibt die Aufgabe, sich in seinem Fortgange selbst zu beschränken. -- 
 
Nota.
Die Wissenschaftslehre ist keine Entstehungsgeschichte des Bewusstseins, sondern ein Modell der Vernunft. Sie zeigt, dass und insbesondere an welchen Stellen durchgehend Freiheit der Bestimmungsgrund des vernünftigen Handelns ist - und wo dem Ich die Freiheit zur Unvernunft bleibt. Dies ist eine solche Stelle.

Dies ists, woduch ich mir zu einem Begriffe und mir selbst fasslich werde. Diese Aufgabe, mich selbst zu bestimmen, hier wars uns nur um die Bestimmtheit zu tun, um die Bestimmbarkeit einzusehen [sic]. Was ist also die Bestimmbarkeit? Oder: Wie geht man vom Denken der Bestimmtheit zur Bestimmbarkeit über? Was ist denn nun das, aus welchem ich mich herausgreife?

Das Bestimmte ist reiner Geist, also auch das Bestimmbare ist reine Geistigkeit, id est Welt vernünftiger Wesen außer mir. Also das Entstehen meiner als Individuum ist etwas Genetisches. Ich erzeige mich als Individuum [dadurch], dass ich mich aus dem Vernunftreiche herausgreife.
 
Die reine Ichheit ohne Grenzen und die empirische Ichheit, woher kommen sie? Letzterer Begriff wird erzeugt durch ein Herausgreifen, wie der Ofen [sic], nur mit dem Unterschiede, dass erstes aus dem Vernunftreich herausgegriffen ist. Nur muss klar sein, dass das Sollen, der kategorische Imperativ, zugleich ein theoretisches Prinzip ist. Was treibt uns zu der Annahme vernünftiger Wesen unseresgleichen außer uns?
 
Nota.
Weiter oben hörten wir es anders herum, da war es eben die Selbstheit der Person, die sich aus dem Reich der Vernunftwesen 'herausgriff'; also nicht die 'reine Ichheit ohne Grenzen', sondern die 'empirische' Ichheit. Ich tippe darauf, dass Krause hier F. nicht richtig verstanden hat.

 //221//                                                                
4.

Wir beziehen das Ideale auf das Reale. Bestimmtheit, Fixiertsein ist der Hauptcharakter desselben, dies Realen sowohl als Denken als des Subjekts [sic], das durch dies reale Denken entsteht. Das Denken steht bei dem Realen gleichsam still und ist nicht, wie bei dem Idealen, in Bewegung.  

Was ist nun in diesem Realen das Gedachte? Die produzierende Einbildungskraft und, da hier Bestimmtheit eintrifft [sic], die Einbildungskraft im Produzieren. Es ist ein Produkt der Einbildungskraft, also was ists?

Die Einbildungkraft synthetisiert ein unendlich teilbares Mannigfaltiges, nun ist dieses hier ein Stehendes - daher, weils ein Objekt der realen Tätigkeit ist. Demnach wird nicht aufs Mannigfaltige gesehen, sondern aufs Eine. Es ist das Erblickte ein Teilbares bis ins Unend-liche, es ist teilbarer Stoff, Materie im Raume. Eben die Vereinigung des Mannigfaltigen, wo auf die Vereinigung nur gesehen wird, macht es zur Materie. Darauf wird sich nun das Ideale beziehen und das Reale dadurch affiziert werden und sein Gepräge erhalten.

In demselben Zustande nämlich, da ich bestimmt denke, denke ich zugleich geistig und frei, mithin muss diese Freiheit auch aufs bestimmte Denken Einfluss haben und seine Spur zeigen. Welches ist nun dieses Produkt des Idealen im Bestimmen? Nichts anderes als das ideale Denken selbst, also ein sich-Bestimmen, Selbstheit, Freiheit müsste doch in demselben liegen.

Das Reale ist liegende tote Materie, aber es wird gedacht durch ein frei tätiges Wesen und ist dessen Bestimmung; es muss also noch das Gepräge desselben tragen, wodurch es auch nur fähig ist, Gegenstand desselben zu werden.
 
Nota.
Wenn es erlaubt wäre, aus der Wisenschaftslehre eine positive Metaphysik herauszulesen - nämlich eine Antwort auf die Frage, ob die Welt 'im Grund' aus Stoff oder aus Geist bestünde -, so belegt diese Stelle hinreichend: 'Wenn ich sie nach etwas nennen müsste', fiele mir nichts anderes als Materialismus ein.

Die Absolutheit kann nicht sein Absolutheit des Handelns, sondern bloß Asolutheit des Seins, ein Sein durch seine Natur, durch seine Bestimmtheit. Die Materie wird zu etwas an sich selbst und durch sich selber, ein selbstständiges Ding, da es vorher bloß ein mir vorschwebendes war, es wird für mich ein gegebenes, ganz eigentlich ohne mein Zutun vorhandenes Objekt. 

Denn ich bin nur das Freie; alle Beschränkung liegt außer mir. Dieses Beschrän-//222//kende soll nun sein durch sich selbst, was es ist. Es ist hier ebenso wie mit der notwendigen Aufgabe, beides ist etwas ohne [mein] Zutun Vorhandenes. Ich greife mich heraus aus einer Masse von Bestimmbarem, ich lange nicht über die Grenze des Beschränkten hinein [sic]

Es gibt ein Höchstes und ein Niedrigstes. So hier. Das Bestimmbare für geistige Tätigkeit [ist das] Reich der Vernunft; ein Niedrigstes: Ich erblicke mich als Reelles versinnlicht, und die tiefste Versinnlichung ist mein Produkt, zu diesem liegt ein Bestimmbares außer mir, Materie. Aber woher diese? Etwa von mir selbst? Wird mir also nicht einfallen. Ich habe es wohl auch selbst gemacht? Nein, denn ich trage auf dasselbe die Selbstständigkeit notwendig über dadurch, dass ich es denke; es wird ein Sein an und für sich, für sich bestehend.

Darinne also liegt der Unterschied. Durch das beschriebene Denken wird das Ding Noumen, id est etwas durch freies Denken Produziertes. Eben das absolute Denken ist ein sich-Denken, und dies geht durch unser Ganzes Bewusstsein hindurch, kommt bei aller Empirie vor und gibt allem von der Einbildungskraft Produzierten inneres Festigen. 

Kant sagt: Wir legen der Erscheinung ein Substrat unter, und dieses ist ein Noumen; aber das hat zu mancherlei Missverständnis Anlass gegeben. Das Produkt der Einbildungskraft und das Produkt des reinen Denkens, die Erscheinung und das Erscheinende ist eins. Nur die Philosophie unterscheidet, was im wirklichen Bewusstsein eins ist. 

Es liegt der Erscheinung ein Noumen zugrunde; bestimmter so: Die ganze Welt ist Erscheinung und auch Noumen, sie ist Produktion meines ganzen Geistes; dieser ist Denken und Hinschauen, in dem wirklichen Bewustsein handelt er als Ganzes. Beides, Noumen und Anschauung, ist eins, nur von verschiedenen Seiten durch die notwendige Duplizität des Geistes angesehen.

Durch dieses reine Denken wird das NichtIch Substanz, aber anders, als es oben das Ich wurde. Da wurde nur die Begrenztheit herbeigeführt, das Materielle war schon, und dies wurde durch das materielle Denken begrenzt, das schon vorhandene Mannigfaltige. Aber hier ist schon die Begrenztheit, und es wird nur das durch sich selbst Bestehende herbeigeführt.

In der Deduktion hebt das Bewusstsein von mir selbst an als dem Bewusstsein eines Unendlichen, und nur dadurch, dass //223// ich die Unendlichkeit nicht fassen kann, dadurch, dass sich mit der unendlichen Anschauung die Endlichkeit des empirischen Denkens verknüpft, werde ich mir zum Endlichen. 

Umgekehrt, das Bewusstsein der Welt geht ja nicht aus von der Unendlichkeit, sondern von der Endlichkeit. Meiner werde ich mir ganz bewusst, der Welt aber nicht als einer ganzenWelt, sondern einzelner Objekte. Ich fasse meine Begrenztheit auf, das die Absolutheit in sich Tragende kommt erst durch die Idee hinein.  

Der Mensch des gemeinen Bewusstseins wohl findet sich ganz, die Welt aber nicht ganz, der Begriff des Universums wird erst allmählich zusammengesetzt. Das Ich als Substanz kommt dadurch zu Stande, dass das ideale Denken begrenzt wird, und das Wesen des Ich besteht daher bloß in Tätigkeit, das NichtIch aber dadurch, dass das reelle Denken vergeistert wird, dann ist es Sein, dessen Wesen nur in Ruhe besteht.
 
Nota.
In der Deduktion, d. h. dem 'zweiten Gang' der Wissenschaftslehre, komme ich zunächst als ein Unendliches vor; nämlich dem Philosophen. Der Mensch des gemeinen Bewusstseins - also auch der Philosoph, sofern er nicht auf dem Katheder steht - dagegen findet sich vor als ein Ganzes, nämlich ein Begrenztes. Das Ich als Substanz, als das die Absolutheit in sich Tragende, kommt erst durch die Idee hinein. - Ist es so gemeint, oder bin ich zum banal?
JE
5. 

Alles wird klarer werden, wenn wir beides jetzt beschränkt denken; das Ideale des Bestimmten und das Bestimmte des Idealen vereinigen, also Synthesen vereinigen. Unser Plan ist einfach. Es versteht sich wohl, dass auch dieses Denken nur ein Denken ist und in einem Moment vorkommt, es also wohl vereinigt sein muss; was daraus entsteht, haben wir gesehen. 

Das jetzt Angezeigte ist also nichts anderes als ein besonders bestimmtes ideales und besonders bestimmtes reales Denken, beide sind auch unzertrennlich. Das Ich kommt zu Stande durch die Bestimmtheit des idealen Denkens, dieses sehe ich durchs Ding und das Ding durchs Ich. Das erstere geschieht, in wie fern ich die Freiheit in der Anschauung des Objekts realisieren kann; letzteres bloß, in wie fern ich meinen Zweckbegriff realisiere.

Ich bin nicht ohne Welt und meine Welt ist nicht ohne mich. Nun wird, woraufs ankommt, durch diese wechselseitige Beziehung auf einander, durch die Unzertrennlichkeit beider, beides auf eine gewisse Weise weiter charakterisiert. 

//224// A) Das NichtIch durchs erstere. Das Ich wird, weil, wie wir oben sahen, sein Handeln Dauer in der Zeit hat, durch die Zeit hindurch ausgedehnt, es ist zu aller Zeit, die nur gedacht wird. Zeit und Wirkung der Freiheit sind nur durch einander; nun wird, so gewiss das Ich durch die Zeit ausgedehnt wird, das NichtIch als für sich Bestehendes mitgedacht, daher fällt es als Ding, als Noumen, auch mit in die Zeit und erscheint als seiend zu aller Zeit, weil das Ich das NichtIch immer bei sich führt. Seine Bestimmungen durch die Freiheit des Ich, seine Akzidenzien, verwandeln sich durch die darauf bezogene Freiheit des Ich im Verhältnisse der Zeit.

Von Organisation der Natur ist noch nicht die Rede.
 
Nota.
Treffend spricht F. hier von 'meiner' Welt. 'Unsere' Welt ist die Welt der 'Reihe vernünftiger Wesen', aus der ich mich 'auswähle' - so wie mir lebensgeschichtlich 'unsere' Welt als Horiziont vor gegeben ist als Aufforderung, 'meine' Welt zu entwerfen.

Die Ursache und die Wirkung sind gleichzeitig, durch den Begriff der Kausalität entsteht keine Zeit. In der Natur entsteht sonach keine Zeit, die Zeit entsteht nur im Ich, in dem Begriff der Substantialität, auf das Ich angewendet, in dem Durchlaufen der Handlungsmöglichkeiten durch die Einbildungskraft. Dadurch, dass das Objekt bloß Objekt für das handelnde Ich ist, wird ersteres mit durch die Zeit ausgedehnt. 

Dies gibt die Bestimmbarkeit des Objekts für die Wirksamkeit des Ich mit und fällt in die schon bemerkte Lücke. Wir konnten nämlich nur auf ein Produkt der Wirksamkeit des Ich schließen. Nun kommt aber in der Erfahrung ein Zweites vor, auf welches wir beim Produzieren handeln; das ist das NichtIch als Noumen und die mit ihm unzertrennliche Erscheinung. 

Dies ist zu aller Zeit schlechthin gegeben, ohne unser Zutun vorhanden, auf dieses geht unsere Wirksamkeit und verändert die Erscheinung, doch so, dass das Dauernde desselben immer bleibe, an dem unsere eigene Selbstständigkeit objektivisiert ist [sic]. Unbegreiflich ists: Wenn ich wirke, verändere ich doch das ganze Ding, denn es ist immer ein Fortgehen von entgegengesetzten Zuständen zu entgegengesetzten Zuständen; und doch soll das Ding immer bleiben. 

Es bleibt nichts als das Denken des Dinges, das Noumen, an dieses hängt sich die Identität des Bewusstseins an. Im Ding als dem Bestimmbaren, so wie es gegeben sein soll, ehe wir darauf wirken, kann man die unzer- trennliche Vereinigung des Noumen und //225// des Phänomen [sic] am besten erklären. Dieses Bestimmbare ist nicht formlos, sondern erscheint uns nur als gestaltlos. Das Bestehen durch sich selbst, wodurch es erst zu einem Dinge wird, ist bloß durchs Denken; die Gestalt aber durch die Einbildungskraft. Sie ist aber nur eine verworrene Darstellung unserer Handlungsmöglichkeiten, die in dem Dinge ausgedrückt sind; alles, was ich daraus machen könnte. 
 
Nota. 
Bemerkenswert für die ästhetische Betrachtung: die Gestalt der Dinge als Bild meiner Handlungsmögichkeiten: "alles, was ich daraus machen könnte". Gemeint sind die Dinge, wie sie im praktischen Leben wirklich sind. Das betrifft auch noch die Dinge im kultischen Bild: nicht nur, was ich faktisch, sondern auch, was ich im Glauben daraus machen kann. Aber doch eben ich.
So die Kunst unbeirrt bis in die Renaissance. Erst mit dem Aufblühen der Landschaftsmalerei kommt die Idee auf, die Dinge so darzustellen, wie sie "an sich selber sind"; ohne Hinblick auf das, was ich daraus machen kann. Das ist ein unnatürlicher Blick, er erfordert eine besondere Konzentration, ein absichtliches Absehen von aller Absicht.
Dazu eignet sich kein wirkliches Ding eher als die Landschaft. Und wer sich auf die Darstellung der Landschaft verlegt, wird früher oder später darauf verzichten, 'Handlungsmöglichkeiten' in ihr zu erspähen, und sich auf die Anschauung des 'rein Ästhetischen' beschränken.
Dass die Kunst zeitweilig ungegenständlich wurde, war kaum zu umgehen, hat sich aber auch bald erschöpft. Wo keine Gegenstände sind, sind auch keine Handlungsmöglichkeiten, und die Abstraktion abstrahiert von gar nichts. Die ästhetische Pointe ist ja eben: an den Gegenständen von den wirklichen Handlungsmöglichkeiten absehen. Ungegenständliche Bilde wirken seit ein paar Jahrzehnten beliebig und rein dekorativ. 
25. 4. 17
 
Nun fange ich darauf hin an zu handeln und verändere die Gestalt des Dinges ganz. Was ist[s] denn nun, welches durch die Zeit des Handelns durch dauert? Bloß mein Denken mit der verworrenen Darstellung alles dessen, was ich tun könnte, unter welchem ich aber immer bloß das Eine tue. Beispiel von einem Baume, von dem man ein Stück nach dem andern abschneiden kann pp. 

Dies Beispiel gilt nur von der Wirksamkeit in Gedanken; drum sagt Fichte anderwärts: Substanz ist Akzidens in der Vereinigung, ihre Form ist das vereinigte Denken, und dieses ist das ideale Denken des Bestimmens. Jedes Ding ist bezogen auf unsere mögliche Wirksamkeit und auf nichts anderes als die Wiederherstellung des Quantums dieser Wirksamkeit.

Unsere Aufgabe ist gelöst. Wir hatten das ideale und reale Denken selbst als vollkommene Synthesis aufzustellen. Dies ist geschehen, das Bestimmbare in beiden ist angegeben, beide sind durch einander bestimmt, β-γ ist vereinigt, die Bestimmtheit meiner selber mit dem Reiche der Vernunft überhaupt, auch B und C, die Bestimmtheit meines Wirkens als sinnlicher Akt mit dem Objekt, worauf dieses mein Wirken geht: C. 

Beide Glieder sind vereinigt, indem ich mich, da* ich gleich teils Individuum bin, teils Geist bin, nicht erblicken kann ohne Ding, das mir zunächst liegend ist: mein Produkt, entfernt liegend aber ein Objekt (Materie) ist, und umgekehrt das Ding nicht ohne mich.
*)
in Krauses Ms.: dass   

Nota I.
Oder, wie der Phänomenologe sagt, zuerst waren die Dinge zuhanden, bevor sie vorhanden sein konnten.
Nota II.
'Das Ideale' ist überhaupt nur da, um das Reale verständlich zu machen. Ideal liegt dem Ich zu Grunde das Wollen-überhaupt: unendlicher Trieb, Streben. Real verbraucht die endliche Wirksamkeit allerdings Kraft. Es reicht nicht, dass ein Produkt entsteht: Auch die verbrauchte Kraft - Quantum der Wirksamkeit - muss wiederhergestellt werden, um das endliche, empirische, reale Ich zu erhalten.
                                        
§ 18 [Zusammenfassung]

Da das Ich in dem Anschauen seines reinen Denkens zugleich bestimmt ist, so wird ihm notwendig dieses reine Denken selbst (das heißt, das Ich als Produkt //226// dieses Denkens als freies Wesen) ein Bestimmtes. Ein freies Wesen als solches kann aber nur bestimmt sein durch die Aufgabe, sich selbst mit Freiheit zu bestimmen. Indem das Ich dieses denkt, geht es von einer Sphäre der Freiheit überhaupt als Bestimmbarem über zu sich als dem in dieser Sphäre Bestimmten, und setzt sich dadurch als Individuum, im Gegensatz mit einer Vernunft und Freiheit außer sich.

Da das Ich im bestimmten Denken zugleich frei ist und nur mit Freiheit das Bestimmte denkt, so trägt es auch die Freiheit auf das Bestimmte über; aber Freiheit in der bloßen Bestimmtheit wie in der Natur ist Sein durch sich selbst. Dadurch wird dem NichtIch ein vom Ich unabhägiges Sein zugeschrieben, und es wird dadurch erst ein Ding. In wiefern es dieses Sein hat, ist es das fortdauernde Bestimmbare in allen Bestimmungen, die es durch die Freiheit des Ich erhät.

Das Denken des Ich als [eines] freien, aber beschränkten Wesens und das des NichtIch als [eines] für sich bestehenden Dinges sind gegenseitig durch einander bestimmt. Das Ich schaut an seine Freiheit nur in den Objekten seines Handelns, und es schaut an diese Objekte nur, inwiefern es mit Freiheit auf sie handelt.

B. Nun kann sich ein Ich doch nur als Ich mit dem Charakter des Ich, der nur Freiheit ist, nur als handeln sollend und könnend finden. Man wende obigen Unterschied hier an. Ich bin beschränkt heißt nicht: Ich bin so breit und lang, nein, es heißt: Mein handeln Können und Sollen ist bechränkt.

So viel Merkmale hier dem Charakter des Ich beigefügt werden, müssen erörtert werden [sic].

Ich finde mich zuvörderst als handeln könnend, rein als Handelndes bin ich gemacht durch mich, durch den Willen, nicht aber mir selbst gegeben. Als handeln Sollendes kann ich mich finden. Was ist denn nun das Denken des Handelns seinem Charakter nach für ein Denken? Das Handeln ist ein Fortfließen, es ist also ein versinnlichtes Denken. Nur erscheint mir das bloße Entwerfen des Zweckbegriffs nicht als Handeln, sondern als bloßes Denken, als etwas //230// außer mir, als ein Ding. Wie ist beides verbunden?

Durch die Anschauung meines Handelns, die insbesondere auch drum nach dem Obigen stattfinden muss, weil bloß durch sie eine Zweckerfüllung entsteht. Ich finde mein Handeln also als etwas Gegebenes, als ein Mögliches.

Gesetzt, ein Mensch hätte noch nichts getan (welches absurd ist und nur auf einen Augenblick gesetzt worden). Dennoch soll er etwas tun, es wird also postuliert, dass er schon einen Begriff vom Handeln habe. Dieser Begriff, der bei ihm nicht aus der Erfahrung kommen kann, müsste beim ihm ein Begriff a priori sein. So hier. Ich finde mich als ein Handelnsollendes, da liegt das Handeln schon drinnen. Das ist ganz klar eine Versinnlichung, die zusammengesetzt ist aus dem Zweckbegriff, der kein Handeln ist, und dem Realisieren, das nicht gefunden wird; also gleichsam in der Mitte schwebend. 

Nota.
Die Wissenschaftslehre begründet nicht nur eine Anthropologie, was sie rechtfertigt, sondern sie beruht auch auf ihr, was sie motiviert. "Handeln ist ein Begriff a priori" - für das Idividuum so, wie der Philosoph das Wollen dem Ich zu Grunde legt.

Was schaue ich denn nun an? Etwas durch die Einbildungskraft Versinnlichtes. Im Handeln ist nicht bleibende Gestalt, weder des Subjekts noch Objekts. Das Denken des Handelns ist ganz sinnlich, und eine solche Ansicht ist von der Synthesis, durch die das Bewusstsein zustande kommt, unzertrennlich. 

Nun muss ich zu dem bestimmten Handeln ein Bestimmbares setzen. Da das Bestimmte sinnlich ist, muss das Bestimmbare auch sinnlich sein. Das Bestimmbare war nach dem Obigen meine Individualität, meine sinnliche Kraft, daher muss dieses auch als ein Sinnliches erscheinen.

Was ist nun meine Individualität? Mein versinnlichtes Sollen. Eine Aufforderung zur freien Tätigkeit als Faktum in der Sinnenwelt. Es ist die Beschränktheit meiner Freiheit in einer besonderen Sphäre, oder bestimmte Bestimmbarkeit meiner selbst. 

Die Aufforderung eines Sollens muss also erscheinen als Wahrnehmung, welche eine ganz eigne Idee dieses Systems
[=der WL] ist, eine ganz eigne Erklärungsweise, die Wirksamkeit in der Sinnenwelt zu erklären. Sie ist nichts als objektive, versinnlichte Wahnehmung meiner Bestimmung, auf andere und mit anderen Vernunftwesen  in Wechselwirkung zu treten.

Ich finde mich in mir selbst aufgefordert, frei zu handeln in einer bestimmten Sphäre. Das passendste Beispiel davon ist das einer Frage. In
//231// ihr ist Bestimmtheit und Bestimmbarkeit, hier ist bestimmte Bestimmbarkeit: leiden und affiziert werden und Freiheit. 
 

3) Diese Aufforderung, die ganz beschrieben ist, muss, versteht sich, im wirklichen Bewusstsein erklärt werden. Sie lässt sich nur erklären durch ein freies Handeln außer mir. (Ich knüpfe an das Bestimmte ein Bestimmbares und Bestimmendes an. Dies ist nach Denkgesetzen nur ein Phänomen, so hier: An diese Aufforderung knüpfe ich etwas an, das heißt erklären.) Der Beweis beider Behauptungen hängt zusammen. Die Aufforderung ist, für sich betrachtet, ein Bestimmtes, obwohl das mir Gegebene zu meinem Handeln sich verhält wie ein Bestimmbares; z. B. bei der Frage ist die Frage in Beziehung auf meine Antwort ein Bestimmbares, aber ist doch an sich auch etwas Bestimmtes, indem er dies und nichts anderes fragt. -

Die Aufforderung liegt demnach in der Mitte und kann als bestimmt und bestimmbar gefasst werden, sie ist relativ. Sehen wir sie als Bestimmte an, so muss ein Bestimmbares hinzugesetzt werden. Was ist nun das Bestimmbare dazu und das Bestimmende? Nichts als ein Handeln ist das Bestimmende, da in diesem Zustand nur ein Handeln gedacht wird. Es wird sonach ein wirkliches freies Handeln außer mir gedacht als der Grund von der in mir vorkommenden Aufforderung. Dieses wirlich Bestimmende und Bestimmbare ist ein wirkliches freies Wesen außer mir, da das Gefundene ein Handeln sein soll, welches lediglich aus einer freien Intelligenz erklärt werden kann.

Der gemeine Menschenverstand schließt auf der Stelle so, und hier hat er das volle Recht, so zu sagen, da er im Gebiete der Erscheinung steht, denn die Aufforderung ist ein Phänomen. Scholastisch ausgedrückt ist hier ein Übergehen von dem Bestimmten zu dem Bestimmbaren, und in die Mitte würde das Bestimmende gesetzt, welches den Übergang vom Bestimmbaren zum Bestimmten macht. Also von dieser Aufforderung wird notwendig geschlossen auf eine Intelligenz außer mir. Das Handeln derselben erscheint in mir, sie selbst aber nicht, sie ist also ein
//232// bloßes Noumen.

Nota I.
In der Deduktion wurde aus dem 'Herausgreifen der Individualität' auf die 'Absolutheit des Vernunftreichs' geschlossen in Gestalt einer 'Reihe vernünftiger Wesen außer mir'. Aus der Reihe vernünftiger Wesen wird erklärt die 'Aufforderung zu freier Tätigkeit'. Bis dahin war es spekulative Konstruktion. Sie muss sich darin bewähren, dass sich die 'Aufforderung' im wirklchen Bewusstsein als Wahrnehmung auffinden lässt. - Dies sei hier geschehen. 
Nota II.
Gemeiner Menschenverstand ist die Vernunft, wo immer sie sich mit Phänomenen beschäftigt - ob in der theoretischen Physik oder beim Kaffeekochen. Philosophie ist sie, sobald sie kritisch wird - zwischen Phänomenen und Noumenen unterscheidet - und den transzendentalen Standpunkt einnimmt.JE          

Die freie Intelligenz außer mir ist ganz bestimmt das Gegenstück zu mir selbst [-] nur durch eine ganz andre Art des Aufsteigens. Bei mir gehe ich von dem Begriffe der Freiheit aus und gehe auf die einzelne freie Handlung über. Hier aber bei dem Wesen außer mir steige ich von der erschienenen Handlung auf zu der Ursache derselben, auf die ich bloß schließe, die ich nicht empfinden kann. 

Ich bin derjenige, der seinem Zweckentwerfen unmittelbar beiwohnt, der sich selber Noumen ist, und dann erst auf die sinnliche Erscheinung fortgeht. Du bist [der], der mir nicht als Noumen, sondern als Erscheinung vorkommt. Meiner Vernunft bin ich mir unmittelbar bewusst und schließe nicht bloß auf sie; aber [auf] Vernunft außer mir schließe ich nur. Diese Notwendigkeit liegt in dem Übergehen von dem Bestimmten zum Bestimmbaren.

Bemerkung: Das Handeln des freien Wesens außer mir, auf welches so geschlossen wird, verhält sich wie der angefangene Weg zu der Fortsetzung desselben. Es ist mir gegeben eine Reihe der Glieder, durch welche der Zweck bedingt ist; eine Reihe, die ich vollenden soll. Zuförderst ist sonach alles Handeln freier Wesen ein Hindurchgehen durch unendlich viele Mittelglieder, die bloß durch die Einbildungskraft gefasst werden - wie bei der Bewegung durch unendlich viele Punkte. Es fordert mich jemand auf heißt: Ich soll an eine gegebene Reihe des Handelns etwas anschließen. Er fängt an und geht bis auf einen gewissen Punkt, von da an soll ich anfangen. 

Nun liegt hier ein unendliches Mannigfaltiges der Handlungsmöglichkeiten, welche bloß durch Einbildungkraft zusammengefasst werden. Denn das Handeln mehrerer Vernunftwesen ist eine einzige durch Freiheit bestimmte Kette. Die ganze Vernunft ist nur ein einziges Handeln. Ein Individuum fängt an, ein anderes greift ein und so fort, und so wird der ganze Vernunftzweck durch unendlich viele bearbeitet und ist das Resultat von der Einwirkung aller. 

Es ist dies keine Kette physischer Notwendigkeit, weil von Vernunftwesen die Rede ist. Die Kette geht immer in Sprüngen, das Folgende ist immer durchs Vorher-//233//gehende bedingt; aber dadurch nicht bestimmt und wirklich gemacht (vide Sittenlehre). Die Freiheit besteht darin, dass aus allen Möglichen nur ein Teil an die Kette angeschlossen werde.

Nota.
Die Wissenschaftslehre erzählt nicht nach, 'wie es wirklich ist', sondern stellt dar, was in der Vorstellung wirklich vorkommt und weshalb das notwendig ist. Hier steht also sinngemäß: Alles Reden von Vernunft hat einen intelligiblen Sinn nur, wenn man sie so auffasst. Wird der Weg fortgegangen, so wird es eine Kette sein. Aber sie wird aus Freiheit fortgewirkt. Wenn wir uns also (in der Abstraktion) denken, dass sie einmal an ein Ende käme, so wäre es nicht durch physische Notwendigkeit als Folge seiner Ursache, sondern durch Freiheit als Zweck gesetzt: 'bedingt, aber nicht bestimmt'. Die Freiheit hätte an jedem Punkt auch andere Möglichkeiten wählen und andere Teile anfügen können. Der 'Endzweck' wäre ein anderer geworden.
Wenn Hans Vaihinger die Wissenschaftslehre nova methodo gekannt hätte, wären ihm die Augen übergegangen und er hätte auf seine dickleibige Philosophie des Als Ob achselzuckend verzichtet. Und wenn Fichte seinen Weg nova methodo 'zuende gegangen' wäre, hätte er sich nie auf die dogmatische Auffassung eines Realabsoluten und eines gegebenen Endzwecks der Vernunft einlassen können.

4. Wir gehen auf den Punkt zurück, von dem wir ausgingen, um die Synthesis auszubreiten und näher zu bestimmen. Die Aufforderung an mich war, wie jeder Eindruck, als Wahrnehmung (nicht an sich) Beschränkung meines physischen Handelns, sonach meiner physischen Kraft; so wie alles Sein Aufhebung meines Handelns ist. Weil dies außer mir geschieht, kann ich es nicht; nicht schlechthin, sondern bloß mir selbst überlassen kann ich es nicht, wohl [aber], wenn ich die Grenze durchbrechen wollte.

Diese Aufforderung heißt und ist Beschränkung meines physischen Handelns in gewisser Rücksicht. Es ist klar, dass, um die Beschränktheit zu erklären, ich eine physische Kraft annehmen muss, denn es wirkt ja doch nur Physisches auf Physisches. Man bemerke wohl den Übergang. Vorher war bloß von dem Handeln die Rede, das gibt eine physische Kraft; sobald von Beschränktheit meiner die Rede ist, wird dies bestimmt; wie nun von einem Handeln in mir auf ein Handeln außer mir geschlossen wurde, so wird hier von der sinnlichen Kraft als [einem] Bestimmten auf ein homogenes (weil es in demselben Akt des Denkens vorkam) Bestimmtes geschlossen.

Es steht so: Dass ich mich aufgefordert finde, ist nichts als sinnliche Aufgabe, mich selbst zu beschränken; davon schließe ich auf ein vernünftiges Wesen, und da sie ein sinnliches Handeln ist, auf eine sinnliche Kraft dieses sinnlichen [sic] Wesens, ich realisiere ein Vernunftwesen als sinnliche Kraft außer mir.

Nota I.
Natürlich muss es im letzten Satz heißen: "...da sie ein sinnliches Handeln ist", schließe ich "auf eine sinnliche Kraft dieses vernünftigen Wesen"; sonst ist es sinnlos. 7. 5. 17
Nota II. 
Er wird es wohl so gemeint haben, wie Krause es wiedergibt: Die pp. Reihe vernünftiger Wesen wird von den individuellen Ichen 'erfahren' als eine sachliche Kraft. - Immerhin erhellt es, wie die Vernünftigkeit Einiger historisch zur regulativen Öffentlichen Meinung für Alle werden konnte. Es erhellt aber auch, wie sie unterwandert werden kann
25. 3. 24

Auf ein bestimmendes Physisches wird also geschlossen, welches zugleich auch ein Bestimmbares ist, welches demnach nicht gerade so handeln musste, sondern in seinem Bestimmen ausgewählt hat von einer ins Unendliche verschiedenen Mannigfaltigkeit. Kurz, es ist eine physissche Kraft wie die meinige, die bloß von der Freiheit abhängt und bloß von ihr bestimmt wird auf unendlich mannigfaltige Weise.

Ich denke sie, ich denke sie - wie alles - bestimmt als Quantum, als individuelle
//234// Kraft. Zugleich erscheint sie mir als etwas Sinnliches im Raume. Also das Wirkende zu der Aufforderung fällt mir notwendig aus als ein materieller, bechränkter Körper. Mein Denken der Vernunft außer mir ist sinnlich, ich denke so einen Körper nicht bloß, sondern realisiere ihn auch in der sinnlichen Anschauung, es ist damit Gefühl verknüpft, nämlich das der mir angemuteten Selbstbeschränkung. Dadurch wird eine sinnliche Gestalt durch Anschauung hinge- worfen.

Den Zusammenhang zwischen idealem und reellem Denken weiß nur die Philosophie, dem gemeinen Menschenverstand ist beides eins. So verhält es sich überall, wo sie die Duplizität des Denkens erkennt. So hier: Niemand fragt nach dem Zusammenhange des Willens mit dem Körper. Darüber hat sich bislang auch kein Philosoph gewundert, beides ist ihm ganz eins: Leib und Seele; z. B. ich habe mich geschnitten. So mit dem vernünftigen Wesen außer uns: Es ist da immer eine doppelte Ansicht von ihnen, ohne dass wir es inne werden. 

Ein gewisser Leib und der Begriff eines vernünftigen Wesens sind in mir unzertrennlich vereinigt. Letzter ist doch nur ein Ideal, etwas Gedachtes; er denkt die Vernunft in das Phänomen hinein. Beides ist unzertrennlich vereinigt; die erstere denke ich nur, mithin auch nur das letztere. Sie ist auch etwas in mir, und letzteres ist auch das erstere, nur von der anderen Seite. Dies stellt die transzendentale Philosophie deutlich dar.

Resultat: Auf vernünftige Wesen außer mir schließe ich aus meiner eigenen Beschränktheit durch Freiheit, d. h. aus einer Aufgabe, mich zu bechränken. Dieses rein erblickt als Aufgabe, ist in der Versinnlichung Aufforderung zur beschränkten Tätigkeit. Das Bestimmbare zu ihr ist bestimmbar in den Vernunftwesen außer mir, und in wiefern es von mir erblickt wir, ist es reelle physische Kraft. Das Bestimmbare zu ihr ist ein Objekt der Körperwelt. Beides ist unzertrennlich vereinigt und ist dasselbe pp.. Beschränktheit und Freiheit ist der synthetische Mittelpunkt. Die Freiheit außer mir wird gedacht, das Übrige angeschaut.

//235// 6. Dieses Vernunftwesen ist Körper, weil es wirksam erscheint, sein Körper ist bestimmbar durch Freiheit; so fällt er mir aus, weil ich angenommen habe, er sei ein freies Wesen. Er ist modifizierbar ins Unendliche; nun ist Materie nur durch Teilung und Bewegung modifizierbar, hierin müsste also eine Modifikabilität ins Unendliche bestehen. Es müsste selber darin bestehen, dass es von der Freiheit abhinge, was als Teil und was als Ganzes betrachtet werden sollte; dass jedem Teil eine eigne und eine mit dem Ganzen gesetzte Bewegung zugehöre; dass er artikuliert sei. Dies findet sich in der Erfahrung, von dieser Eigenschaft hängt alle Wirksamkeit in der Sinnenwelt ab.

Nota. 
Auf die Gegenständlichkeit eines NichtIch schließe ich aus dem Widerstand, den es meiner Tätigkeit entgegensetzt. Auf die Körperlichkeit eines Vernunftwesens schließe ich aus seiner eignen Wirksamkeit. Aus der ihm-Eigenheit seiner Wirksamkeit kann ich auf seine Vernünftigkeit schließen.

Ferner: Dieser Körper wird der Freiheit vorausgesetzt, denn er ist ja das Bestimmbare zur Freiheit, welches im Bewusstsein in der Reihe des Denkens immer vorausgeht; eben dadurch wird er zu einem Gefundenen, Gegebenen, zu einem eigentlichen Objekte. So wie das Subjekt handelt, ist dieser Körper da; er ist daher Natur und insbesondere Naturprodukt.

Letzteres bedarf einer Erklärung und eines Beweises: Die Natur ist nach dem Obigen Noumen in einer gewissen Rücksicht, und das ist alle Natur, sie ist durch sich selbst gesetzt, sie ist, was sie ist, weil sie es einmal ist, und nur insofern ist sie Natur zu nennen. Man könnte sagen, wie Spinoza sagt: natura naturans, welches sie ist, so gewiss sie Natur ist, bestehend, weil sie besteht. Nur inwiefern sie durch sich selber ist, heißt sie so. Der artikulierte Leib ist Natur, er ist also auf diesem Gesichtspunkt, dem gemeinen Gesichtspunkt, allem Bewusstsein vorausgesetzt, er ist Teil der Natur, denn außer ihm ist der meinige ja auch da, und Objekte auch, nach dem Obigen.

Dieser Körper ist Natur, Teil der Natur, ist ferner ein bestimmter Teil der Natur, und zwar ein durch sich selber bestimmter besonderer Teil; an Letzterem hängt der Beweis. (Von der Artikulation aus soll etwas in der Natur bewiesen werden,) er ist derjenige Teil der Körperwelt, der durch den bloßen Willen des Vernunftwesens in Bewegung gesetzt wird. Aber er geht nur bis zu einer gewissen Grenze im Raume, von welcher Grenze aus auch durch bloßen Willen nichts ausgerichtet
//236// werden kann, weil das Vernunftwesen ein endliches sein soll.

Nota.
Die Natur in specie: als das, was das, was es ist, durch sich selbst ist, kommt in der Wissenschaftslehre erst am Schluss vor. Das brachte sie in Gegensatz zum damals gerade anhebenden obskurantistisch-selbstgefälligen Zeitgeist und hat ihr sicher mehr geschadet als der Atheismusstreit. Auch in den eben vergangenen dreißig Jahren hat ein solcher geherrscht, ab damit scheint es zu Ende zu gehen. Sollte eine kritische und rationelle Geisteshaltung an ihre Stelle treten, könnte die Transzendentalphilosophie einmal Allgemeingut werden.

Nun findet das Vernunftwesen diesen Leib, und diese bestimmte Begrenztheit gehört zum Vernunftwesen und besonders zu seinem Leib. Diese Begrenztheit ist etwas unabhängig vom Willen des Wesens unabhängig Vorhandenes. Er [sic] ist ein beschränkter Teil der Sinnenwelt. Auch seine Begrenztheit muss also von dem Willen unabhängig vorhanden sein. Die Grenze desselben ist sonach auch Natur und durch sie gesetzt. Er ist, mit andern Worten, Naturprodukt.

Folglich: Die Natur produziert durch sich selbst, das ist durch mechanische Gesetzmäßigkeit (denn an Freiheit durch Willen und Begriff ist hier nicht zu denken), reelle
[s] Ganze[s]. Also solche, die an sich Ganze sind, durch ein notwendiges Denken, nicht etwa lediglich in unserer Freiheit des Denkens. (Durch Freiheit der Abstraktion kann ich alles trennen, dann habe ich aber nur ein eingebildetes Ganze[s], wie in allen abstrakten Begriffen.) Jene[s] reale Ganze muss ich notwendig so zusammensetzen. 

Ferner ist bekannt der Begriff der Organisation, auf diesen kommen wir jetzt. 

Unsre Deduktion geht [von] oben herab. Wir gingen aus von dem höchsten Idealen, von der Aufgabe, sich selbst zu beschränken. Diese Aufgabe haben wir versinnlicht in dem Phänomen einer gleichfalls in uns selbst liegenden Aufforderung. Wir haben nach dem Gesetz der Substantialität zu dem Bestimmten der Aufforderung ein bestimmbares Aufforderndes hinzugesetzt, wir haben letzteres verwandelt in eine Wahrnehmung, in einen Körper in der Sinnenwelt, durch diese [sic] soll eine freie Handlung möglich sein. Er muss artikuliert sein, aus der Artikulation folgt die Organisation und wird an Obige[s] angeknüpft, denn die Artikultion kann, da der Leib ein bloß Gefundenes - Natur - ist, nichts anderes sein als Produkt eines bloßen Naturgesetzes. Und wir erhielten eine Natur, welche reelle[s] Ganzes[s] eines artikulierten Leibes bildet, welches die Organisation ist. -

Nota.
Das 'höchste Ideale' ist nicht die Tathandlung, das sich-selbt-Setzen des Ich, indem es ein Nichtich setzt: das ist das elementar Ideale; sondern ist die Aufgabe für das sich-selbst-gesetzt-habende Ich, sich zu begrenzen. Ohne diese käme keine sinnliche Welt alias Natur und schon gar keine ideelle, kein Reich des Intelligiblen, keine 'Reihe vernünftiger Wesen außer mir' zustande. Zu dieser Aufgabe wurde zunächst aufgestiegen; konstruktiv, spekulativ. Im zweiten Gang - Abstieg - wird dazu das sinnliche Material aufgesucht.
Dies ist nicht der Gang der wirklichen Vorstellung: 'gemeines Bewusstsein'. Das ist der Gang, in dem die Wissenschaftslehre das gemeine Bewusstsein rekonstruiert und auf seine Vernünftigkeit prüft!

Überblick. Wir gingen zu Anfang des Paragraphen aus davon: Es müssen in den letzten Gliedern unserer Synthesis (Reich der Vernunftwesen und von der anderen Seite eine feste Natur) wieder in wechselseitiger Bestimmung sein. Da beide in //237// einem Bewusstsein vorkommen, muss das Reich der vernünftigen Wesen durch das Reich der Natur hindurch erblickt und bestimmt werden et vice versa. Das vernünftige Reich erscheint daher als Teil der Natur, als Naturprodukte und Objekte, in wiefern sie sinnlich sind.

Umgekehrt: Ist etwa auch durch unsere Operation auch die Natur wieder bestimmt worden? Ja! Wir haben vor der Hand gefunden, dass wir besondere Naturobjekte anschauen, da sie uns vorher als ein Ganze[s], ein Nicht-Ich erschien. Jetzt erscheint sie uns als System einzelner reeller Ganze[r], weil wir vernünftige sinnliche Wesen unseres Gleichen annehmen mussten.

7. Es folgt noch mehr, es wird noch etwas ganz anderes in der Natur realisiert. Alle diese Teile nämlich, aus welchen wir den Leib zusammensetzen, gehören zusammen und machen nur in ihrem Zusammenhange ein Ganzes aus. Diese Ganzheit ist bloß Resultat der Wirksamkeit der Natur; sie ist es, die diese Teile zu einem Ganzen gemacht hat. 

Was heißt das? Der Körper eines Vernunftwesens außer uns ist notwendig teilbar ins Unendliche, wie sich aus dem Begriff der Materie versteht, alle sind Teile der Natur. Jeder Teil ist demnach durch sich selbst gesetzt, hat in sich den Grund seines Bestehens, und machen nur in der Verbindung ein Ganzes aus; außerdem sind sie gar nichts (aus dem Begriffe der Artikulation zeigt sich dies). Dies, dass die Teile beisammen sind und nur durch die Verbindung etwas sind, ist durch die Natur so, nicht etwa durch Kunst, da jeder Teil zu betrachten ist als durch sich selbst gesetzt und nur in der Verbindung etwas sein soll, so liegt der Grund dafür in den Teilen selbst. Jeder Teil ist so beschaffen, dass er ohne die übrigen nicht bestehen kann, und alle übrigen nicht ohne diesen einigen. 

Dieses Gesesetztsein der Natur, dieses Gesetz der Natur nennt man Organisation, und einen solchen Körper mit solchem Zusammenhange nennt man organisiert. Alle Teil der Natur können nur, insofern sie alle beieinander sind, bestehen,
//238// nicht ohne einander. Dass das so ist, davon liegt der Grund in den Teilen oder in der ganzen Natur selbst. Das ganz Universum ist auch ein organisiertes Ganze[s] - wie der Leib eines Vernunftwesens. Es ist es notwendig, weil einzelne organisierte Ganze in ihr möglich sind; welche bloß durch die gesamte Kraft der Natur möglich sind, sie sind bloß Produkt der Organisation des ganzen Universum[s].

Nota.
Nein, auch hier lässt sich Fichte nicht zu Aussagen darüber hinreißen, was oder wie 'die Natur' oder 'das Universum' an sich sind. Es heißt nur: in unserer Vorstellung sind Natur und Universum nur möglich durch die Vorstellungen von Artikulation, Organisation und Selbstorganisation - und jene nur durch diese. (Soviel zu den Mystifikationen ad "autopoietische Systeme".)

8. Sonach wäre unsere Aufgabe gelöst, denn beide Bestimmbaren an beiden Enden der Synthesis sind durch einander bestimmt. Das Individuum der Vernunftwelt wird demnach in die Sinnenwelt hineingesetzt und eins mit ihr in einer gewissen Rücksicht. Umgekehrt erhält die Sinnenwelt ein Analogon der Freiheit, id est es kommt in sie der Begriff eines Hervorbringens, eines Erschaffens; es ist aber Erschafffen nach bestimmten festen Regeln. 

Notabene den Weg, wie wir zum Resultate gekommen sind. Wir sind bloß von einem Ende, von der idealen Reihe ausgegangen und sind von diesem unvermerkt zum anderen, zu der Bestimmung der Sinnenwelt gelangt. Der Analogie nach hätten wir glauben sollen, wir würden von beiden Gliedern β und B einzeln haben ausgehen müssen, beide untersuchen, und nun erst in der Mitte ein X finden, in dem sie zusammengetroffen hätten [sic]

Dies war nicht nötig, da das hier Gedachte Gesetz der Wechselwirkung ist, in welchem ein Ineinandergreifen der wirkenden Glieder liegt, so dass man von einem aufs andere kommt, wenn man es nur richtig fasst. Von der anderen Seite hätten wir nicht fortkommen und unser Ziel nicht erreichen können. So konnten wir es, weil Freiheit und Selbsttätigkeit das Erste und Höchste ist, von dem die Versinnlichung in der Sinnenwelt sich leicht zeigen lässt.

Es ist eine Wechselwirkung, die wir aufgestellt haben. Zuvörderst: Die Vernunftwelt steht mit sich selbst in Wechselwirkung, id est vernünftige Wesen wirken auf einander ein, oder transzendental: In jedem Individuum ist etwas, weshalb es auf Vernunftwesen außer sich schließen muss. Ebenso steht die Sinnenwelt mit sich selbst in Wechselwirkung, denn das aufgestellte Gesetz der Organisation ist bloß //239// Zusammenwirken aller Naturkräfte im Universum.

Die Vernunftwelt steht in Wechselwirkung, die Sinnenwelt und beide Welten stehen mit einander in gegenseitiger Wechselwirkung und erscheinen so: Zuvörderst in artikulierten Leibern greift Natur und Freiheit in einander vermittelst der Freiheit des Individuums, und so wirkt Freiheit in die ganze Natur. Umgekehrt, die Natur bringt erst artikulierte Leiber hervor und produziert auf dem gemeinen Standpunkt Vernunftmöglichkeit und greift ins Reich der vernünftigen Wesen ein.

Dadurch ist unsere Synthese geschlossen, und da alles, was im Bewusstsein vorkommt, sie enthält, so ist unsere Aufgabe vollständig gelöst und unsere Arbeit vollendet.

Nota.
Der strenge Beweisgang war hier nicht nötig, weil dieser Gedanke ja schon im Gesetz der Wechselwirkung enthalten war - Setzt er hier nicht voraus, was er uns erst noch zu beweisen hatte?
Nein, denn dass in 'der Natur' wirklich ein Gesetz der Wechselwirkung herrsche, wird ja gar nicht behauptet. Behauptet wird lediglich, dass man sich weder 'die Natur' noch ein Verhältnis von sinnlicher und Vernunftwelt vorstellen kann, ohne sie sich in Wechselwirkung vorzustellen. Dass nämlich das Bestimmen des Vorgestellten anders als durch Entgegensetzen nicht geschehen kann, ist längst zur Prämisse der Darstellung geworden. Vermittelst der Freiheit des Individuums greifen Freiheit und Natur in einander und von da aus in die ganze Natur. Es ist Transzendentalphilosophie und keine spekulative Metaphysik.

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Neu durchgesehene und kommentierte Ausgabe.

  Fichte's Vorlesungen über die Wissenschaftslehre, gehalten zu Jena im Winter 1798-99   nachgeschrieben von K. Chr. Fr. Krause ...